Lebensbilder I (German Edition)
von einem Buche in das andere hinübergeschleppten Fehler, schon weil dies zu weitläufig wäre, sondern verbessert diese stillschweigend. In vielen Fällen war Schiff selbst an der Entstehung von Irrtümern schuldtragend. In autobiographischen Angaben sind ihm arge Gedächtnisfehler und Verwechslungen unterlaufen; auf solche wird gelegentlich aufmerksam gemacht. – ] . Väterlicher- und mütterlicherseits stammte die Familie aus dem damals noch dänischen Altona. Ein Onkel des Dichters war Günstling des Dänenkönigs, dem zu Ehren er Synagogenfeste veranstaltete, wofür er der königlichen Tafel beigezogen wurde. Der Großvater war zweimal verheiratet, in zweiter Ehe mit seiner Schwägerin Mathe (Mathilde), die aus erster Ehe mit Löb Heine sechs Kinder hatte, darunter Samson Heine , den Vater des Dichters. David Bär Schiff war also nicht, wie man immer wieder liest, ein Vetter Heinrich Heines, sondern nur ein solcher zweiten Grades, außerdem aber, wenn man in Betracht zieht, daß der beiden Väter Stiefbrüder waren, ein Stiefvetter. Soviel zweifellos Richtiges ergibt sich aus einer sonst sehr mit Vorsicht zu benutzenden Schrift Schiffs »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus« (Hamburg 1866), die schon Adolf Strodtmann in seiner Heinebiographie (I, 355, Anmerkung 1 und I, 368, Anmerkung 111) an entscheidenden Punkten berichtigen mußte.
Ein vertrauterer Umgang zwischen Heine und Schiff in ihrer Knabenzeit war nicht nur infolge der Verschiedenheit der Aufenthaltsorte ausgeschlossen. Schiffs Vater war damals sehr wohlhabend, während der Heines bekanntlich nicht gerade reich war. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die verschiedenartige soziale Lage die beiden Stiefbrüder, die auch Vettern waren, von vertrauterem Umgange abhielt. Denn nirgends findet sich ein Hinweis, daß irgendeine nähere Beziehung zwischen Samson Heine und Hertz Bendix Schiff (dem Vater von David Bär) stattgefunden hätte.
Das Glück blieb indes Schiffs Vaterhause nicht treu; der Vater scheint zugrunde gegangen zu sein (worüber Schiff selbst gelegentlich Andeutungen macht.) Aus sehr gewissenhaften Nachforschungen J. Heckschers (in den »Mitteilungen zur jüdischen Volkskunde«, Heft XVI, Seite 124) geht hervor, daß Schiffs Vater seit 1828 sein Manufakturwarengeschäft nicht mehr betrieb, von Jahr zu Jahr seine Wohnung wechselte (vielleicht weil er die Miete nicht bezahlen konnte) und 1840 in Wandsbek starb. Fünf Jahre vor ihm war seine Frau heimgegangen, ein von dem Dichter, der gleich Heine auf das zärtlichste an seiner Mutter hing, tiefbeklagter Verlust!
Die Hamburger Jugendjahre sind für Schiff von der größten Bedeutung gewesen. Er besuchte das Johanneum (von den Lehrern rühmt er namentlich Gurlitt ), von 1821 – 1822 das akademische Gymnasium. Ostern 1822 ging er an die Universität Berlin ab, um dort Jura zu studieren. Er hat also verhältnismäßig lange zur Absolvierung des Gymnasiums gebraucht. Vielleicht war schon damals seine exzentrische Natur schuld, daß er erst spät zum Abiturium kam, vielleicht war er durch burschenschaftliche Bestrebungen, die damals in Hamburg eine große Rolle spielten, zu sehr abgehalten, um seine Pflichten als Gymnasiast zu erfüllen. Er berichtet wiederholt, daß er sich damals mit burschenschaftlichen Fragen beschäftigte, den breiten altdeutschen Kragen trug und sein Deutschtum immer stolz betonte. Damals war Schiff – recht im Gegensatze zu Heine – ein Franzosenfeind, was vielleicht sein Vater bewirkt hatte, der, wie Schiff selbst erzählt, mit Heines Vater wegen dessen Franzosen-Freundlichkeit oft in scharfe Dispute geriet. Allerdings waren bei beider Zu- und Abneigung sehr persönliche Interessen im Spiele. Samson Heine stand auf Seite der Franzosen, weil diese den Juden die Gleichberechtigung gewährt hatten, Hertz Bendix Schiff war jenen gram, weil er während der Hamburger Belagerung durch Davoust starke geschäftliche Verluste erlitten hatte. So schwärmte auch der junge Schiff für die deutschen Studenten, die dem Vaterlande die Befreiung von dem französischen Joch erkämpft hatten; und noch in seinem späten Alter gedenkt er der herrlichen Tage, als man das Deutschtum und die Freiheit besang, sich an Liedern und Schriften der Patrioten berauschte und sich in der begeisterten Verehrung der Romantiker gefiel. Aus dieser jugendlichen Schwärmerei hat Schiff die nachhaltigsten Anregungen für seine spätere Dichtung empfangen. Man pflegt ihn spöttisch den »letzten
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