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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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1825 bei der philosophischen Fakultät eine Dissertation »De natura pulchri et sublimis« ein, auf Grund deren er am 8. Juli 1825 unter dem Dekanate des Geheimen Hofrates Dr. Luden zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. (Vgl. Intelligenzblatt der Jenaer Literaturzeitung, 1825, Nr. 61, Seite 483). In Göttingen hat Schiff niemals studiert; alle diesbezüglichen Mitteilungen sind unrichtig, über den Inhalt der Dissertation laßt sich nichts Zuverlässiges mitteilen; aber aus einer autobiographischen Novelle Schiffs, »Der Fibel-Philosoph« (im »Novellenbukett« 1858) geht hervor, daß er sich als Student in Schillers Abhandlung »Über das Erhabene« (er nennt sie »Über das Schöne und Erhabene«) vertieft habe; und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Untersuchung Schiffs von der Schillers ihren Ausgang nahm. –
    Nach der Promotion begab sich Schiff nach Leipzig, um dort als freier Schriftsteller zu leben. Leipzig halte damals als Zentralsitz des deutschen Buchhandels für junge Literaten seine besondere Anziehungskraft. Gutredigierte Zeitschriften ließen den Aufenthalt ebenfalls angenehm erscheinen. Für Schiff, dessen materielle Lage nicht mehr so günstig gewesen zu sein scheint wie während der Berliner Studentenjahre, da der Vater inzwischen sein Vermögen verloren haben dürfte, ergab sich die Notwendlgkeit, da er als Jude zu keinem staatlichen Amte gelangen konnte, von schriftstellerischer Produktion zu leben. Er setzte quantitativ gleich sehr lebhaft ein; drei größere Werke in Buchform sind die Frucht seines ersten Leipziger Aufenthaltes vom Ende 1825 bis Ende 1826. Außerdem redigierte er eine Monatsschrift »Dichterspiegel«, die freilich sehr kurzlebig war, und von der sich leider auch nicht ein Exemplar erhalten hat. Mitredakteur war Wilhelm Bernhardi , der Neffe Tiecks, Sohn seiner Schwester Sophie, Schiffs steter Begleiter auf seinen verschlungenen Lebenspfaden. Immer wieder begegnen die beiden wesensverwandten Naturen gemeinschaftlich. Sie waren beide in romantische Schrullen verrannt, verkannten sehr bedeutungsvoll die tiefliegenden Unterschiede zwischen romantischem Empfinden und romantischer Lebensführung, und beide gingen an dieser argen Begriffsverwirrung zugrunde. Beider äußeres Leben war wüst und exzentrisch; sie glaubten an eine Durchsetzung des Lebens mit romantischen Irrlehren – denn allzu geordnet waren auch ihre dichterischen romantischen Anschauungen nicht – und hofften, diesen zum Siege zu verhelfen, wenn sie sich wild, verwegen und von keinem Lebenszwange beengt gebärdeten. Leben und Dichten sollten eine Einheit bilden, wie es schon die Schlegel jugendlich-ungestüm gefordert hatten. Aber nicht aus innerer Übereinstimmung und veredelter Abgeklärtheit sollte diese innige Vereinigung erwachsen, sondern aus trotziger Auflehnung gegen alles Hergebrachte, ja, gegen die einfachsten Anstandsbegriffe.
    Man wird weder Schiff und noch weniger den ganz unproduktiven Bernhardi deshalb mit Grabbe vergleichen dürfen. Diese Einheit von Leben und Dichten, die Schiff erträumte, herstellen zu wollen, war nur der Gedanke eines Phantasten; ein Märtyrer seiner Kunst war Schiff nicht. Ihm könnte kein Freiligrath nachrufen:
»Der Dichtung Flamm' ist allezeit ein Fluch! ...
Durch die Mitwelt geht
Einsam mit flammender Stirn der Poet;
Das Mal der Dichtung ist ein Kainsstempel!«,
     
    weil ja das dichterische Schaffen für Schiffs zügelloses Leben nur ein Vorwand war, während sein Leben seine Dichtung nicht bedingte. »Riesen-« oder »titanenhaft« ist Schiffs Aufbäumen gegen des Lebens Notwendigkeiten kaum zu nennen; es waren nur Versuche eines ungezügelten Menschen, sich über alles Hergebrachte hinwegzusetzen und unangefochten tolle Streiche zu begehen.
    Leider war Schiff zeitlebens von der fixen Idee, daß er als romantischer Dichter keinerlei Gesetz über sich dulden müsse, nicht abzubringen. Er war gewiß nicht verfolgt von dem »malheur d'être poète« , wie es August Sauer in glücklicher Erweiterung des berüchtigten d'Alemberlschen Wortes »malheur d'être« von Sappho und ihrem Dichter Grillparzer geprägt hat. Schon deshalb nicht, weil bei Schiff nicht die exzentrische Dichtung, sondern das exzentrische Leben das Primäre war. Er wollte ungezügelt dahinleben und suchte, diesen Trieb in seiner Dichtung zu rechtfertigen. Von ihr kam ihm kein Leid; nur seine Lebensführung brachte es ihm, aus der seine seltsamen, häufig fast an Wahnsinn grenzenden Werke

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