Lebensbilder I (German Edition)
Romantiker« zu nennen; aber er ist sicherlich ein durchaus echter Romantiker, in seinem Dichten ebenso wie leider – in seinem Leben, in das er immer romantischen Überschwang hineinzutragen liebte.
Dieses Aufgehen in romantischen Ideen und das unbedingte Bekenntnis zum Deutschtum berührt bei Schiff wegen seiner jüdischen Abkunft merkwürdig. Er hat indes vor keiner Forderung der Romantiker haltgemacht; sogar ihr extremes Hinneigen zum Katholizismus ist auf ihn völlig übergegangen. Das kann sehr wohl der Umgang in seinen Jugendjahren und die Erziehung im väterlichen Hause veranlaßt haben. Denn Schiff hat – wie er selbst erzählt – niemals hebräisch gelernt und nie ein jüdisches Gebet gesprochen. Von der Synagoge wurde er ferngehalten, dagegen war es ihm nicht verwehrt, am christlichen Religionsunterrichte teilzunehmen. Allerdings war die große Judenverfolgung, die er 1819 in Hamburg mitmachte, nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben: aber dieser war nicht stark genug, um Schiff seiner Religion näher zu führen oder ihn gar zum frommen Juden zu machen.
Dieser Judensturm findet in Schiffs Altersdichtung, als er selbst Christ geworden war und dem Judentum skeptisch und kritisch gegenüberstand, oft Erwähnung, wie auch Heine seiner voll Erbitterung in einem Briefe an Sethe gedenkt. Sehr bedeutend waren diese Krawalle nicht gewesen; man hatte den Juden die Fenster eingeworfen und prügelte sie; ein behördliches Plakat, das mit dem scharfen Schießen der Garnison drohte, brachte die Bewegung nach zwei Tagen zum Abschlusse. Den jungen Schiff haben diese Exzesse, obwohl er sie aus der Nähe besehen konnte, nicht sonderlich berührt, da er ganz in seinen altdeutschen Ideen aufging.
Als er Ostern 1822 in Berlin einzog, stand dort die Romantik noch in hohem Ansehen. E. Th. A. Hoffmann , der bereits auf dem Krankenlager hinsiechte und nicht viel später starb, wird er nicht mehr kennen gelernt und den überwältigenden Reiz dieser eigenartigen Persönlichkeit nicht mehr eingesogen haben. Aber die Unterhaltung in den studentischen Kreisen, deren Teilnehmer Schiff war, wird sich stark um Hoffmann gedreht haben. In Rahel Varnhagens Haus könnte er gekommen sein. In Varnhagens Tagebüchern findet sich – zwar aus späteren Jahren – sein Name wiederholt, und das Interesse, das dieser an dem Schicksal und einzelnen Werken Schiffs nimmt, ist doch wohl nur daraus zu erklären, daß er Schiff in Berlin kennen gelernt hatte. Ein Verkehr in dem gastlichen Hause Rahels ist um so wahrscheinlicher, als Schiff in Berlin mit Heine zusammentraf und mit diesem sogar – wenn man ungedruckten Erinnerungen Schiffs glauben will, die eine Fortsetzung seines Buches »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus« bilden und Adolf Strodtmann vorlagen [Fußnote: Vgl. seine Heinebiographie I, 164. ] – 1822 in einem Hause (es ist das Schlesingersche Unter den Linden, unfern dem Palais des Prinzen Wilhelm) Stube an Stube wohnte. In dieser Zeit des gemeinsamen Berliner Aufenthalts bestand zwischen den beiden jungen Leuten jedenfalls ein lebhafter Verkehr; Heine trug Schiff das Du-Wort an und bediente sich oft seiner Kasse [Fußnote: »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus«, Seite 56 und 98. ] . Auch die poetischen Erstlinge Schiffs, die Phantasiestücke in Callots Manier gewesen sein sollen [Fußnote: ibidem; erhalten ist nichts davon. ] , ließ er sich vorlesen, bewunderte an ihnen »echten Naturmystizismus« und nannte sie das Beste, was in neuester Zeit geschrieben wurde, mit Ausnahme von dem, was er selbst geschrieben hatte. Diese Mittellungen Schiffs müssen nicht unbedingt zuverlässig sein (sie stammen aus dem Jahre 1866); und aus Briefen Heines an Freunde geht sogar hervor. daß er über ihn nicht gerade günstig dachte [Fußnote: Vgl. den Brief an Moses Moser vom 17. Mai 1824 aus Göttingen (in der Ausgabe der Werke Heines von Karpeles VIII, 420), worin er Schiff einen »Kerl« nennt, der ihn nochmals um Briefporto bringen werde. Freundschaftliche Gefühle verrät diese Briefstelle wohl nicht. ] . Vielleicht verstimmten ihn schon damals Schiffs exzentrische Neigungen, die im Keim sichtbar waren und ihn als Stichblatt aller mehr oder weniger bösen studentischen Witze sehr geeignet erscheinen ließen [Fußnote: Eine charakteristische Anekdote teilt Strodtmann a. a. O. I, 322 mit. ] .
Am 28. Oktober 1824 wurde Schiff in Jena inskribiert. (Eintrag im »Akademischen Album der Jenaer Universitat«). Er studierte Jura, reichte aber
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