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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Schal, ihm zum Andenken.«
    »Meine Herren und Damen!« sprach Emil, »mein Freund besitzt auch die Gabe der Weissagung, und er hat mir zuvor eine Antwort auf alle diese Bitten erteilt.«
    »Geschwind, geschwind, welche?« tönte es von allen Seiten.
    Er sagte: »Der Weise wünscht nichts, und um weise zu sein, bedarf man keines Elendsfells!«
     

II. Die Herzlose
Aus Raphaels Papieren
Erstes Blatt
    Dichter, der sein eigenes Leben beschreibt, liefert geichfalls ein Kunstwerk, ein wahrhaftes, naives und lehrreiches, das aber freilich nur leicht und flüchtig ausgeführt ist. Seine Schilderung ist wahr, denn er schildert das Leben selbst, das nur insofern die künstlerische Reorganisation erleidet, als es aufgefaßt ist von einem dichterischen Gemüt. Im eignen Leben die Hauptfigur, sieht er alles um sich in wundersamer, vieldeutiger Beziehung stehen: die ihn umgebenden Nebenfiguren, den bunt ausstaffierten Vorgrund, die Landschaft, die Form, die Wolken und die Luft. Da ist kein Licht, keine Farbe, noch Schatten, Tinte, Helldunkel unnütz. Ein absichtsvoller Geschmack wollte das tiefsinnige Rätsel des einzelnen Daseins in alles berücksichtigender Dialektik erklären, aber die Massen waren zu groß: nur mit kecken, fast gebieterischen Strichen ließ sich die wundersame Lösung andeuten.
    Unsere Kindheit ist nur ein Schlaf, ein embryonisches Geistesdasein. Erst zwanzig Jahre später gebiert sich der Geist, schmeckt zuerst die Weltluft und schreit über das schneidende Weh, erblickt zum erstenmal das Weltlicht und muß geblendet das Auge schließen. Ja, ja! Blendung und Weh sind die Symptome dieser Geburt, und es gilt, die Augen weit aufzureißen. Wem Kraft, Mut oder Wille fehlt, der läuft Gefahr, dem frühen Grabe oder dem Toll»Hause anheimzufallen, oder er sinkt auch in den fühllosen Blödsinn zurück, dem er zu entkommen nahe war.
    Von meinen ersten zwanzig Lebensjahren weiß ich selbst nicht viel mehr als nichts. Ich lebte, lebte wie jeder andere jenes Schulleben, von der die Altklughelt späterer Jahre behauptet, es sei das glücklichste Dasein.
    Mein Vater hielt mich in strenger Zucht. Ich bewohnte ein Zimmer, Wand an Wand neben dem seinen. Ich mußte früh um fünf Uhr aufstehen, mußte um neun Uhr zu Bette und einschlafen. Ich hatte törichte und lustige Gedanken, wie jedes andere Kind, aber das Wort: »Vater« konnte mich so ernst und bedächtig machen, wie er selbst es immer war.
    Mein Vater, ein dürrer, hagerer Mann, bleichen Angesichts, kurz von Worten, lebte einen Tag wie den andern nach der Uhr, lachte nie, arbeitete stets, war in seinem ganzen Wesen eigen und in all seinem Tun und Handeln eigensinnig. – Ich weiß nicht, wie es kam, daß mir oft in seiner Nähe das Herz schwoll und ich Lust fühlte, mich an seinen Hals zu werfen, um mit einem innigen Freudenschrei: »Vater! Vater!« ein grenzenloses Glück zu feiern. Es geschah nie. denn ich befürchtete, eine Torheit zu begehen. – Gedenke ich noch dieser lichten Kinderaugenblicke, so steht mein Vater vor mir, wie er leibt und lebt, schmal und kerzengrade, im kastanienbraunen Überrock, oder ich bilde mir ein. er sitze arbeitend im Nebenzimmer, hinter jener Wand dort, und es wird mir rätselhaft, lch kann es nimmermehr fassen, daß er tot oder begraben sein soll.
    Als ich mein zwanzigstes Jahr erreicht, versprach er. in die Welt mich einzuführen. Vier Wochen darauf nahm er mich mit auf einen Ball. Ein Verwandter von mir. der Herzog – gab ihn.
    Ich war sehr blöde und verlegen, wußte weder mich zu benehmen, noch etwas zu sagen, noch zu beantworten, was mir gesagt wurde. Ich setzte mich still in einen Winkel und verschlang mit den Augen alles Neue, zumal die schönen Damen, wie sie tanzten oder Gefrorenes aßen. –
    Zum erstenmal sah ich hier Damen im Ballstaat! – Wo das Leben poetisch wird, übertrifft es die Kunst, die, wo sie erscheint, den Abdruck eines fremden Geistes uns entgegentragt, dahingegen die Poesie des Lebens ein süßeres und allgemeineres Herumschweifen und Irren gestattet. – Als Kunstwerke, eigentümliche und wirklich lebende, erschienen mir die Tänzerinnen, und jede Eigentümlichkeit war eine Anmut und ihr Leben das heitere Bewußtsein derselben. Jede Schleife, jedes Vand, der Kopfputz, der Besaß des Kleides, die Ohrgehänge, der Schmuck des Halses, des Busens und der Arme: alles deutete auf dieses innere Glück. Es blitzte in den Augen, lächelte in den Wangengrübchen, schwatzte aus den Purpurlippen, regte, drehte

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