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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und bog sich in tausend zierlichen Wendungen. – Es war eine schuldlose Welt von Engeln, die sich mir in reizender Festlichkeit erschlossen, und nur die Herren ärgerten mich, die, neben diesen besseren Wesen so vertraulich, zuversichtlich und eitel sich gebürdeten, ihnen allerlei Unbedeutendes, Albernes vorschwatzten, selbstgefällig darüber lachten, mit ihren Ringen, Dosen, Stöckchen spielten oder gar zum Tanz sie aufforderten und ihre zarten Hüften dreist umschlangen, ohne das Glück zu achten, um das ich, wer weiß was, gegeben hätte, wenn ich den Mut, danach zu greifen, in mir gefühlt. – Jene aber schienen, mit überirdscher Anspruchslosigkeit und Huld, nicht einmal befremdet über so empfindungslose Dreistigkeit.
    Ich fing endlich mit offenen Augen und alles um mich her wahrnehmend zu träumen an, oder vielmehr ich entfesselte meine Gedanken zum kühnen Spiel mit der ersten Wirklichkeit, die mir bedeutend aufging! – Wie – dachte ich – wenn erst die Poesie des Schmerzes diese« mannigfach reizende Leben erhöht, wenn jedes dieser zierlichen Geschöpfe, statt sich zu freuen, empfindet, wenn all diese glücklichen Augen, verklärt vom Schmerz, emporblicken, das Schmachten des Wehs den lieblichen Gestalten Tiefe und Bedeutung gibt und die Allgewalt der Gefühle eben so mannigfach sich verkörpert, wie jetzt das oberflächliche Glück der Anmut! Der Zerstörungstrieb liegt tief in unserer Seele, wir können, so scheint's, nur mittels dieses Triebes genießen. Ich verstand mit einem Male den Don Juan, ich war es selbst, und alle meine Geliebten, die rings um mich tanzten, hatte ich jede auf besondere Art erobert, entzündet, zerstört; nur in mir war ich derselbe, der alles glühend verdirbt, um selbst in Gluten zu verderben, und der zugleich der Gluten und des Mitleids spottet, das er dennoch für seine Opfer fühlt, die seines Lebens Speise sind und sein Dasein Hinhalten. – So kühn dachte ich, als eine Dame neben mir ihr Schnupftuch fallen ließ. Der Anstand erforderte, es ihr aufzuheben, aber ich hatte nicht den Mut dazu, sie mußte sich selbst danach bücken, und auf ihren flüchtig strafenden Blick hatte ich keine entschuldigenden Worte zu erwidern.
    Da trat mein Vater zu mir. «Mein Sohn,« sprach er, »es scheint, du findest weder an diesem Feste noch an Frauengesellschaft Gefallen. Das ist mir lieb. Jedoch eine Leidenschaft hat der Mensch, in jenem Zimmer wird Bank gehalten, vielleicht findest du beim Spiel mehr Zerstreuung.« – Eine schwere Börse lag in meiner Hand, und fort war die Phantasie. Seltsame Macht des Geldes! – ich fühlte nur das Gewicht. Ein Gesetz der Schwerkraft, was noch kein Newton beobachtet und dennoch: ein Weltgesetz. – Wunderlich aber war's, daß mein Vater denken konnte, ich fände nicht Geschmack am Fest und an Damengesellschaft: ich hatte eben mit ganzer Seele mich darin vertieft.
    Ich betrat das Spielzimmer und setzte mich an den grünen Tisch, vom Spiel verstand ich gar nichts. Ich sah das Gold hier- und dorthin gehen, hier- und dorther kommen, ich sah es an, wie man etwas Sinnloses mit ansieht. Ein alter, verlebter, bepuderter Kahlkopf warf stets zehn Goldstücke auf einmal auf den grünen Tisch, und der Bankier legte ihm allemal zehn Goldstücke hinzu, die er einstrich, alles übrige schnellten die Croupiers mit weißen Stäben auf einen großen Haufen hin. – Ich sollte spielen, zog ein Goldstück aus der Börse und warf es auf den Tisch. »Ungerade?« fragte der Bankier und schob es zurecht. Ich hatte keine Antwort! – Bald wich meine Aufmerksamkeit vom Spiel auf jenen alten, gepuderten Herrn. Er strich immerfort Gold ein, und meine Gedanken wünschten sich sein Glück. – Ich sah mich als Besitzer eines unermeßlichen Vermögens, sein gekleidet, in einer stattlichen Equipage, einen goldstrotzenden Diener hinter mir, zur Seite ein edles, herrliches, junges Weib, zu Very fahren, um dort zu speisen – als der bleiche, gepuderte Herr mich anstieß. Er deutete auf einen Haufen Goldstücke, auf der Stelle, wohin ich mein Goldstück geworfen. Es wird ge< fragt: wem das Goldstück gehört. – »Riskieren Sie es und lassen Sie es noch einmal stehen?« – Ich verstand wohl, daß ich das alles gewonnen hatte, bevor ich mich aber mit diesem Gedanken vertraut gemacht und den Mut gewann, zuzugreifen, ließ der Bankier von neuem die Kugel rollen, und der glänzende Haufen ward eingestrichen. »Das war vorherzusehen«: meinte der Gepuderte. »Achtmal

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