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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hintereinander hat ungerade gewonnen.« Ich setzte ein neues Goldstück: – der Bankier warf ein zweites hinzu. »Lassen Sie es wieder stehen?« fragte er. Da ich nun wohl merkte, was zu tun sei, und nicht länger Lust hatte, mich als Neuling verlachen zu lassen, strich ich die Goldstücke ein und spielte nicht weiter. Im Verlauf des ganzen Abends hatte ich die bitterste Langeweile.
    Bei unserer Nachhausekunft gab ich meinem Vater die Börse zurück: er schüttelte den Inhalt aufs Kamin aus und überzählte. »Du hast nicht gespielt?« fragte er; ich glaubte mit »nein« antworten zu dürfen. »Gut!« fuhr er fort und hielt nach seiner Art bei jedem Worte mehr oder weniger bezeichnend inne. »Mein Sohn – du zählst nun 20 Jahr – und ich – bin mit dir zufrieden. – Du bist ein Mann – dich lockt nicht Gold, noch Spiel, noch Weiber – das ist mir lieb! Du mußt jetzt mit Geld umgehen lernen« – bis auf den heutigen Tag hatte ich nicht einen Heller in Händen – »mußt sparen lernen – mußt kaufen lernen – von heut an erhältst du monatlich 100 Franken zu deiner Verfügung. – Hier ist fürs erste Quartal!« – Bei den letzten Worten überreichte er mir ein Goldröllchen.
    Seine Güte hatte sich mir noch nie offenbart, und jetzt – ich hätte zu seinen Füßen sinken mögen. Ich dünkte mich ein arger Sünder, unwert solch eines Vaters! Was hatte ich getan, das zu verdienen? Lag es an mir, daß ich nicht als zweiter Don Juan im rohsinnlichen Genuß, im Verzehren des Erdenstaubes mich zugrunde richtete? Ein Glück nur, daß meine Zaghaftigkeit ebenso groß war, wie die ausschweifende Kühnheit meiner Wünsche. Ich wollte mich in seine Arme stürzen. »Vater!« wollte ich rufen, »ich bin so gut nicht, wie du denkst, ich bin aufgelegt zu allem Bösen; nur Feigheit, Blödigkeit und Mattherzigkeit halten mich zurück, und das ist's, was du lobst. Ich bin ein Lügner obendrein, denn ich habe gespielt!« – Die Umarmung hinderte mein Vater, und Scham und Tränen raubten mir die Sprache.
    »Liebes Kind!« nahm er das Wort, »was ich hier tue, ist gering und einfach und begehrt keinen Dank – trockne deine Tränen. – Nenn ich ein Recht auf deine Erkenntlichkeit habe, Raphael – so ist's, weit ich vor einem Verderben dich sicherte, das alle Jugend in Paris verzehrt. – Jetzt bist du ein Mann. Raphael! ich habe dich geprüft und bewährt gefunden. – Künftig reden wir nicht mehr wie Vater und Sohn, sondern wie Freunde. In einem Jahr bist du Doktor der Rechte. Du hast nicht ohne Mühseligkeit und Entbehrung so mancher Freuden gründliche Kenntnisse dir erworben. Du hast Genie, Fähigkeit. Kopf und Herz, liebst die Arbeit – und das ist ein Glück und wesentlicher Vorteil im Leben. – Du wirst mich kennen lernen, Raphael; ich wollte nie einen simpeln Advokaten aus dir bilden, sondern einen Staatsmann, der den Ruhm seines verarmten Hauses mit neuem Glanz verherrlicht. – Morgen sollst du mehr hören.«
    Mit diesem geheimnisvollen, gütigen Winke verließ er mich, und von jener Stunde an schenkte er mir sein ganzes Vertrauen, was ich an keinem Tage weniger verdient zu haben glaubte. Aber freilich, ich erkannte damals weder mich, noch meinen Vater, noch die Welt mit jener Welterkenntnis, die erst später kommt. Ich wollte alles mit dem eignen Herzen erkennen, das ewig mit sich selbst im Hader liegt und stets sich selbst verdammt.

Zweites Blatt
    Meine Mutter hatte ich früh verloren. Mein Vater, letzter Sprößling eines geschichtlichen, jetzt fast vergessenen Hauses der Auvergne, begab sich früh nach Paris, gelangte unter Ludwig XVI. zu Macht und Ansehen, verlor beides in der Revolution, heiratete zur Kaiserzeit die Erbin eines reichen Hauses und sah sich von neuem auf dem Punkt, seinen Namen im alten Glanze herzustellen, als die Restauration, obschon sie meiner Mutter beträchtliche Güter zurückgab, ihn abermals zugrunde richtete. Er hatte mehrere Landgüter, welche der Kaiser seinen Generalen geschenkt, an sich gekauft und stritt nunmehr schon zehn Jahre lang mit Liquidatoren und Diplomaten, mit preußischen und bayrischen Tribunalen herum. In dieses unerforschliche Labyrinth endloser Prozesse, von dem unsere ganze Zukunft abhing, weihte mein Vater mich ein. – Wir liefen Gefahr, nicht nur den Prozeß zu verlieren, auch alle von den Gütern erhobenen Gelder und selbst das Holz, das wir von 1814 – 1817 hin und wieder gefällt hatten, erstatten zu müssen. Dann aber reichten die Güter meiner

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