Lebenschancen
Steuersystems und zur Erschließung zusätzlicher Geldquellen für den Staatshaushalt auf dem Tisch. Sie reichen von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer über die Reichensteuer bis hin zu Wohlstandsabgaben (also einer Art einmaliger Steuer auf Vermögen) (für Letzteres plädieren Rhodes/Stelter [2011] von der
Boston Consulting Group). Gerade vor dem Hintergrund einer Politik der Lebenschancen sollte man dabei zwei Punkte beachten: Erstens werden Erwerbseinkünfte hierzulande viel höher besteuert als Kapitaleinkommen. Zweitens ist Deutschland im internationalen Vergleich eben kein Hochsteuerland, die gesamtwirtschaftliche Steuerquote ist eher niedrig. Gerade was die vermögensbezogenen Steuern auf Erbschaften, Grundbesitz, Schenkungen, Kapitaleinkünfte oder bewertbares Eigentum allgemein anbelangt, liegt die Bundesrepublik laut einer Erhebung der OECD auf Platz 20 von 24 Ländern.
Ein konkreter Ansatzpunkt könnte in unserem Zusammenhang (ähnlich wie beim beschriebenen Konzept des Sozialerbes) die Erbschaftssteuer sein. Gewiss, in der Öffentlichkeit gibt es große Vorbehalte gegen die Erbschaftssteuer (oder gar ihre Erhöhung), weil der Staat hier in innerfamiliäre Transfers eingreift. Eine große Mehrheit der Bevölkerung findet es gerecht, wenn Eltern ihr Vermögen an den Nachwuchs weitergeben, ohne dass der Fiskus davon allzu viel abzweigt (Schrenker/Wegener 2007). Zudem liegt es in einem gewissen Ausmaß durchaus im Interesse der Allgemeinheit, Anreize für die langfristige Bildung von Vermögen und damit für ökonomisches Engagement und eine Steigerung der Produktivität zu setzen. (Wobei man natürlich noch einmal zwischen Produktiv- und Geldvermögen bzw. Immobilien differenzieren könnte.)
Tatsächlich fristen Erbschafts- und Schenkungssteuer in Deutschland derzeit ein Mauerblümchendasein. Sie werden gelegentlich sogar als »Bagatellsteuern« bezeichnet, weil sie deutlich weniger als ein Prozent des gesamten Steueraufkommens ausmachen, was im internationalen Vergleich gering ist, wenn man sich einmal Länder wie Frankreich, die USA , Belgien, die Niederlande oder die OECD insgesamt anschaut. Die FDP hat sogar dafür plädiert, die Erbschaftssteuer ganz abzuschaffen, weil Erhebungskosten und Einnahmen in keinem sinnvollen Verhältnis mehr stünden.
Wenn man jedoch die Lohnentwicklung der letzten Jahrzehnte sowie die Tatsache bedenkt, dass die Vermögenseinkünfte insgesamt viel stärker gestiegen sind als die Erwerbseinkommen und dass dieser Trend sich im Zeitalter der großen Erbschaften noch verstärken wird, muss die Frage erlaubt sein, warum die Mittelabschöpfung über die Einkommenssteuer so selbstverständlich ist, während die Erbschaftssteuer beinahe so etwas darstellt wie ein Tabu. Tatsächlich empfiehlt die OECD seit einiger Zeit, die Steuerlast von der Erwerbsarbeit auf Vermögen, Schenkungen und eben Erbschaften zu verschieben. Auch unter Ökonomen ist dieser Vorschlag populär (Whaples 2006), da entsprechende Steuern als relativ effizient gelten. Manche Autoren sind gar dafür, Erbschaften und Schenkungen in Zukunft wie ganz normale Einkommen zu behandeln und entsprechend zu besteuern. Ein derart hoher Satz gilt derzeit zwar als politisch nicht durchsetzbar, doch schon eine moderate Erhöhung und ein leichtes Absenken der Freibeträge würden die Staatseinnahmen deutlich vergrößern und auch Spielraum für die Einführung des Chancenkredits schaffen. Kucken wir uns die Zahlen konkret an: In Deutschland werden bereits heute jährlich Vermögen im Wert von 200 Milliarden Euro vererbt, eine Summe, die bis 2020 um weitere 100 Milliarden steigen könnte. Abgeschöpft wurden davon im Jahr 2011 etwa 4,2 Milliarden Euro, also gerade einmal zwei Prozent der Erbmasse. Würde man den effektiven Steuersatz auf zehn oder 15 Prozent erhöhen (was die wenigsten Erben in Bedrängnis bringen oder arm machen würde), käme der Fiskus auf Mehreinnahmen von 16 bzw. 26 Milliarden, ein Betrag, der die in der Beispielrechnung genannte Summe für den Lebenschancenkredit übersteigt. Würde man zusätzlich die Vermögenssteuer zumindest für sehr große Vermögen wieder einführen, hätte man noch größere Spielräume, um einen substanziellen Zugewinn an Lebenschancen zu finanzieren.
Gerade indem man eine Erhöhung der Erbschaftssteuer ex
plizit mit dem Lebenschancenkredit verknüpft, könnte man möglicherweise mehr Akzeptanz für eine solche Politik schaffen. Immerhin käme durch den
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