Lebenschancen
»Sozialerben« mit dem Geld anstellen, oder ob man die Verwendung des Erbes nicht an bestimmte Zwecke binden sollte. Dass die Mittel in Konsum oder Reisen fließen, ist schließlich ebenso wahrscheinlich wie Investitionen in Bildung. Wer hätte nicht mit Anfang zwanzig das Leben in vollen Zügen genossen, wenn er das entsprechende Kleingeld zur Verfügung gehabt hätte? Das Sozialerbe schafft zwar Freiräume; ob es Teilhabe und Chancen dauerhaft sichern kann, bleibt offen. Lothar Kuzydlowski (Kürzel » LLL « für Lotto, Lothar, Lamborghini) ist das mahnende Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man schnell ans große Geld kommt. Zusammen mit seinem Bruder gewann der arbeitslose Teppichleger 1994 fast acht Millionen D-Mark und brachte diese in kurzer Zeit mit viel Wodka und einem »süßen« Leben durch. Fünf Jahre später starb er an Leberzirrhose. Es gibt nicht wenige Erben, denen das Geld zwischen den Fingern verrinnt und die am Ende mit leeren Taschen dastehen. Eine Aufzugfahrt in eine höhere Etage des Konsumtempels und ein paar gute Jahre, mehr bleibt dann manchmal nicht übrig.
Zur Finanzierung des Chancenkredits
Wie steht es nun um die Finanzierung des Lebenschancenkredits? Im Detail hängt das natürlich davon ab, für welche Variante man sich konkret entscheidet und wie hoch das Guthaben sein soll. Ein Vorteil der Idee ist aber unter anderem, dass man nicht mit einem big bang starten muss, sondern dass man klein (also mit bescheidenen Summen) anfangen, dann ausbauen und wachsen oder sich auf bestimmte Teilbereiche konzentrieren kann. Prinzipiell ist eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Realisierungsalternativen denkbar. Beginnen wir der Anschaulichkeit halber mit einem kleinen Rechenexempel: Zwischen 1991 und 2010 wurden in Deutschland 14 Millionen Kinder geboren. Nehmen wir einmal an, der Staat hätte seit 1991 für jeden dieser jungen Bürger ab der Geburt jährlich 1000 Euro auf ein Guthabenkonto eingezahlt, so hätte dies im Jahr 2010 insgesamt 14 Milliarden Euro gekostet. (Zum Vergleich: Die letzte Erhöhung des Kindergeldes um 20 Euro im Jahr 2010 schlägt jährlich mit 4,5 Milliarden Euro zu Buche.) Ein 1991 geborenes Kind hätte dann zum Zeitpunkt seines 20. Geburtstags (rechnet man einen dreiprozentigen Zins und Zinseszins mit) knapp unter 30 000 Euro auf dem Konto. Ab dem 20. Lebensjahr würde diese Summe auf dem Guthabenkonto stehen bleiben, ohne weitere staatliche Überweisungen. Erlaubt man die Auszahlung erst mit 25, wäre die Summe durch Verzinsung dann entsprechend höher (ca. 34 000 Euro) usw. Vermutlich würden die wenigsten Empfänger das Geld dann auf einen Schlag ausgeben, da es ja an bestimmte Zwecke gebunden ist und nicht direkt ausgezahlt werden kann, so dass ein weiteres Wachstum des Guthabens zu erwarten wäre (wer das Geld bis 45 nicht anrührt, verfügt dann über 60 000 Euro usw.).
Investitions- und Ansparmodelle dieser Art sind nicht gänzlich neu, Sparkassen bieten entsprechende Pläne für Kinder und Jugendliche schon seit Jahrzehnten an. Auch als sozialpolitisches Instrument werden sie bereits eingesetzt. In Großbritannien
existiert für Kinder der sogenannte Child Trust Fund. Im Rahmen dieses von New Labour 2005 eingerichteten Programms verschickte die Regierung zum Zeitpunkt der Geburt (bzw. auch rückwirkend für alle seit 2002 geborenen Kinder) einen Voucher über 250 Pfund an die Eltern, die den Scheck auf ein speziell einzurichtendes Konto einzahlen sollten. Für das siebte Lebensjahr war eine zweite staatliche Zahlung vorgesehen. Zusätzlich können Eltern und andere Familienmitglieder jährliche Zahlungen bis zu einer bestimmten Höhe vornehmen, was vor allem von Großeltern genutzt wird. Das Geld kann erst mit Vollendung des 18. Lebensjahrs abgerufen werden und steht dem jungen Erwachsenen dann zur freien Verfügung, wobei die Zinserträge nicht besteuert werden. Das Modell gilt als sehr erfolgreich, auch wenn die Tories 2010 beschlossen, das Programm nicht zu verlängern. Existierende Konten laufen weiter, neue können aber nicht eingerichtet werden.
In diesem Fall wird Geld angespart, es gibt allerdings auch Zeitansparmodelle, die von ihrer Anrechtslogik her ähnlich wie der Lebenschancenkredit funktionieren. Typischerweise werden dabei von Unternehmen Zeitwert- oder Lebensarbeitszeitkonten eingerichtet, auf die Beschäftigte Zeitguthaben (Überstunden, Urlaubstage etc.) oder auch Teile ihrer Vergütung »einzahlen« können, um dann später davon
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