Lebenschancen
Parteienspektrum und die gesellschaftlichen Lager einiger Beliebtheit. Unternehmer wie Götz Werner, der Gründer der DM -Drogeriekette, setzen sich ebenso für dieses Konzept ein wie Thomas Straubhaar, der nicht gerade als linker Utopist bekannte Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts. Wie der Lebenschancenkredit bricht auch das Modell des Grundeinkommens konsequent sowohl mit dem Bedarfs- als auch mit dem Beitragsprinzip. Es handelt sich sozusagen um einen »free lunch«, um einen Begriff Milton Friedmans zu zitieren. Die Idee sieht vor, dass die Gesellschaft allen Menschen ein monatliches Einkommen in existenzsichernder Höhe zur Verfügung stellt. Andere Einkommensarten werden nicht angerechnet, das Grundeinkommen ist als Sockelbeitrag gedacht. Wer nicht arbeiten möchte, weil ihm ein materiell eher karges Dasein genügt, wäre frei, Tätigkeiten nachzugehen, die ihm Freude machen. Was die Höhe des Grundeinkommens anbelangt, werden derzeit Beträge zwischen 700 und 1100 Euro im Monat diskutiert. Gleichzeitig entfiele eine ganze Reihe anderer Sozialleistungen wie Kindergeld oder Sozialhilfe, und der Verwaltungsapparat würde schlanker, so dass sich das Modell auf diesem Weg in einem gewissen Ausmaß selbst gegenfinanzieren würde.
Die Attraktivität der Idee liegt auf der Hand, schließlich würden die Menschen dadurch vom Zwang zur Erwerbstätigkeit befreit. Insgesamt wäre das System aber um ein Vielfaches teurer als der Lebenschancenkredit. 800 Euro monatlich für jeden Bundesbürger wären pro Einwohner 9600 Euro im Jahr, gerechnet auf 81,8 Millionen Menschen macht das knapp unter 785 Milliarden Euro jährlich. Im Verhältnis dazu wäre der Chancenkredit, wie wir später noch sehen werden, ein recht kleiner Posten im Staatshaushalt. Grundsätzlich lassen sich natürlich auch mit dem Grundeinkommen die Lebenschancen der Menschen erhöhen, das Konzept zielt allerdings eher auf Grundversorgung denn auf individuelle Entwicklung. Die Menschen wären zwar
in der Lage, Konsumbedürfnisse zu befriedigen, ob sie mehr machen würden, ob sie zum Beispiel Ehrenämter übernehmen, ihre Kreativität ausleben oder etwas lernen würden, steht auf einem anderen Blatt.
Lebenschancenkredit versus Sozialerbe
Für Furore gesorgt hat auch das Konzept der »Stakeholder-Gesellschaft« von Bruce Ackerman und Anne Alstott von der Yale University (2001). Im deutschen Kontext wurde das Modell unter dem Begriff der »Teilhabegesellschaft« bekannt, da es in erster Linie darum geht, die Teilhabe aller Bürger am Wohlstand eines Landes zu gewährleisten (Grözinger et al. 2006). Die Menschen werden hier als Anteilseigner der Gesellschaft betrachtet. Ackerman und Alstott schlagen vor, allen volljährigen Staatsbürgern einen Betrag von 80 000 Dollar zur freien Verfügung bereitzustellen. Das Kapital wird angelegt, wenn der Empfänger 18 Jahre alt ist, ab dem 21. Lebensjahr kann es abgehoben werden. Wer eine Ausbildung oder ein Studium finanzieren möchte, darf es schon vorher in Anspruch nehmen. Finanziert werden soll das Ganze durch eine höhere Besteuerung von Erbschaften. Wie wir gesehen haben, steigt das Volumen der Erbmasse zwar Jahr für Jahr an, doch profitieren davon längst nicht alle Angehörigen der jüngeren Generation. Daher sei es, so Ackerman und Alstott, die Aufgabe der Gesellschaft, einen Ausgleich zu schaffen und dafür zu sorgen, dass alle faire Startchancen haben. Man spricht insofern auch von »Sozialerbe«.
Dass das Konzept auf soliden Füßen steht und seine Realisierung aus fiskalischer Sicht nicht utopisch ist, konnte auch für den deutschen Fall gezeigt werden (Grözinger et al. 2006). In der Anfangsphase soll es durch eine Reform der Erbschaftssteuer und eine temporäre Vermögenssteuer von 1,5 Prozent finanziert werden; in einigen Jahrzehnten könnte es dann als Trans
fer zwischen den Generationen funktionieren: Ein Teil der Erbmasse der Sozialerben von heute würde in einen Fond einbezahlt (wobei der Fond Vorrang vor allen anderen Erben hätte), so dass sich das System irgendwann selbst tragen würde (ein solches Modell wäre auch für den Lebenschancenkredit denkbar). Vorstellbar wäre dabei eine Art progressiver Erbschaftssteuer: Je mehr der Erblasser aus seinen Chancen gemacht hat, desto höher der Anteil, der in den Fond zurückfließt.
Ähnlich wie beim bedingungslosen Grundeinkommen stellt sich freilich auch hier die Frage, ob es der Gesellschaft wirklich egal sein kann, was die
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