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Lebenschancen

Lebenschancen

Titel: Lebenschancen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Mau
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Mehrzahl der Befragten der Ansicht, mehr Eigenverantwortung in den Bereichen Gesundheit und Alterssicherung sei sinnvoll und begrüßenswert. Zwar sahen die Menschen nach wie vor in erster Linie den Staat in der Pflicht; dennoch waren unter den Beziehern
mittlerer Einkommen 77 Prozent der Meinung, man solle sich bei der privaten Altersvorsorge engagieren, in Bezug auf die Gesundheit waren es 60 Prozent, die eine zusätzliche private Absicherung befürworteten. Die Eigenverantwortungs-, Aktivierungs- und Vorsorgerhetorik (Lessenich 2008), die längst zu einem zentralen Baustein bei der Reform des Sozialstaats geworden ist, scheint hier tatsächlich auf fruchtbaren Boden zu fallen. Aber: Dass die Bereitschaft zur privaten Vorsorge sowie die (theoretische) Einsicht in die Notwendigkeit (weil es der Staat ja nicht mehr macht) und das tatsächliche Vorsorgeverhalten auseinanderfallen, zeigte sich auch in unserer Studie: 55 Prozent der Befragten gaben an, sie sähen sich außer Stande, privat für den Lebensabend vorzusorgen. Sowohl in der Gruppe mit niedrigen als auch in der mit mittleren Einkommen äußerten sehr viele Menschen, sie könnten sich das aufgrund anderer Belastungen finanziell schlichtweg nicht leisten.
    Einmal mehr wird deutlich, wie schwierig es ist, angesichts einer ungewissen Zukunft und unübersichtlicher Angebote kompetent Entscheidungen zu treffen. Die Menschen haben die Rhetorik der Eigenverantwortung zwar verinnerlicht, in der Praxis sind die Sicherungsofferten auf den Wohlfahrtsmärkten allerdings zu komplex, zu unübersichtlich, zu intransparent. In dieser Situation tendieren viele Menschen dazu, abzuwarten, erst einmal nichts zu tun oder instinktiv auf den bekannten Pfaden weiterzulaufen. Die Risiken und die Undurchschaubarkeit des privaten Vorsorgemarkts bringen viele dazu, sich dort gar nicht zu engagieren.
    Partnerwahl unter Ungewissheit
    Bislang haben wir uns mit recht naheliegenden Beispielen für Vermarktlichung und Unsicherheit beschäftigt, doch der Markt spielt auch im ganz Privaten eine Rolle. Auch auf den Beziehungs-
und Partnerschaftsmärkten der Gegenwart bestimmen Wahlfreiheit, erhöhte Flexibilität und die Logik von Entscheidungen unter Unsicherheit unser Handeln. Hier gibt es mehr Optionen denn je, gleichzeitig wissen wir statistisch, dass die Ehe längst kein sakraler Bund fürs ganze Leben mehr sein muss. Wahlbindungen erscheinen als reversibel und prinzipiell kündbar, wenn sie nicht das halten, was man sich davon versprochen hat. Die Erstheiratsneigung ist markant gesunken; noch vor 30 Jahren heirateten ca. 80 Prozent eines Jahrgangs, bei den heute 20-Jährigen werden es unter 65 Prozent sein. Die Zahl der Scheidungen ist im vergangenen halben Jahrhundert deutlich gestiegen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes wurden 2009 etwa halb so viele Ehen geschieden wie geschlossen, wobei der Anteil von Ehen, die irgendwann einmal geschieden werden, auf etwa 40 Prozent geschätzt wird (Huinink 2012). Immer mehr Menschen leben allein (1991 gab es 11,9 Millionen Einpersonenhaushalte, 2009 schon 16 Millionen); die Zahl der Singles und auch der Partnerschaften, in denen er und sie (oder er und er bzw. sie und sie) nicht zusammen wohnen, wächst ( living apart together ). Die dauerhafte Bindung an ein und denselben Partner ist damit längst nicht mehr die Norm. Zwar stehen ein harmonisches Familienleben und eine stabile Partnerschaft in Umfragen immer noch hoch im Kurs, doch es wird offensichtlich immer schwieriger, diese auch tatsächlich zu leben.
    Was macht es nun so schwer, den richtigen Partner zu finden und ihn oder sie an sich zu binden? Ökonomen, die sich mit der Partnerwahl beschäftigen (Becker 1981), nehmen an, dass es den Akteuren darum geht, auf einem von Konkurrenz geprägten Markt ihren eigenen Nutzen zu maximieren, wobei dieser hier in Entlastung bei der Hausarbeit, emotionalem Wohlbefinden, Statusgewinn, materieller Sicherheit, sexueller Erfüllung usw. bestehen kann. Aus dieser Perspektive suchen Menschen so lange nach dem passenden Partner, bis der erwartete Nutzen die Investitionen in die (weitere) Suche übersteigt bzw. eine
weitere Optimierung unwahrscheinlich erscheint. Zu den Investitionen rechnen die Ökonomen dabei Phasen ohne Partner (und somit ohne jeden Nutzen), das Aushalten der Angst, eventuell niemanden zu finden, aber auch konkrete Ausgaben für Essenseinladungen oder Urlaube, die man zu zweit unternimmt um herauszufinden, ob es wirklich klappt.
    Der

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