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Lebenschancen

Lebenschancen

Titel: Lebenschancen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Mau
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Partnerschaftsmarkt ist allerdings kein idealer Markt, auf dem der »Nachfrager« alle »Angebote« kennt, so dass er in der Lage wäre, eine wohlabgewogene »rationale« Entscheidung zu treffen. Emotionen kann man ohnehin schlecht quantifizieren, und dann besteht immer die Möglichkeit, dass man doch noch jemanden kennenlernen könnte, der oder die einfach besser zu einem passt. Die Suche nach dem Richtigen oder der Richtigen ist kompliziert. Psychologen sprechen mit Blick auf Kaufentscheidungen von post-decisional regret , also dem Bedauern nach dem Kauf, das einen befällt, wenn man sich die Vorteile der nicht gekauften Waren vor Augen führt. Fällt das Ergebnis nicht zur eigenen Zufriedenheit aus, ist Frustrationstoleranz gefragt. Einen Partner zur Familiengründung zu finden, ist ein noch anspruchsvolleres Unterfangen, weil die Latte einfach höher liegt. Viele Menschen sind nicht deshalb kinderlos, weil sie keinen Nachwuchs wollen, sondern weil sie vor lauter Suchen einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst haben. Und das obwohl sich die postadoleszente Phase stark ausgeweitet hat und man sich heute gut und gerne bis Ende 30 mit der Familiengründung Zeit lassen kann. Zu viel Zeit lässt Menschen oft zu lange suchen: Sie probieren und prüfen, sie wechseln aus und werden ausgewechselt.
    Wer sich heute dauerhaft binden möchte, verlässt sich nicht mehr ausschließlich auf die traditionellen Foren und Anlässe des Kennenlernens. Die lokale Gemeinschaft und der Feuerwehrball sind zwar nicht obsolet, aber Speeddating, Partnerschaftsbörsen im Internet und Massentourismus schaffen neue und andere Gelegenheiten. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie schneller und flüchtiger sind (man kann in kürzerer Zeit mehr
Personen kontaktieren), dass die Interaktionspartner nur Teilaspekte des jeweils anderen wahrnehmen können (die soziale Einbettung der Interaktion ist geringer) und dass stärker strategisch kommuniziert wird. Insbesondere bei der Kontaktanbahnung im Internet unterliegt der eigene »Wert« einer strengeren Beobachtung – man muss sich gegen Hunderte Mitkonkurrenten durchsetzen und Aufmerksamkeit erzeugen, und zwar mit begrenzten Mitteln. Einen gewissen Zwang zur Selbstvermarktung gibt es bei der Partnersuche immer, aber im Internet sind Selbstinszenierung und Selbstmarketing im Grunde alternativlos (Illouz 2007; Skopek et al. 2009). Mit dem Internet erweitern sich nicht nur die Gelegenheiten für Singles, es gibt auch neue Möglichkeiten für jene, die schon in Beziehungen sind. In ihrer Studie Einen Mausklick von mir entfernt (2006) über die Schweizer Plattform PartnerWinner.ch hat die Soziologin Evelina Bühler-Ilieva herausgefunden, dass es unter den Suchenden einen nicht geringen Anteil von Personen gibt, die aktuell in einer Partnerschaft leben.
    Nicht nur die Formen des Suchens (und Findens) eines Partners haben sich verändert, dasselbe gilt auch für die Kriterien der »Marktgängigkeit«. Aus der Perspektive des individuellen Nutzens waren in der Vergangenheit vor allem Partner und Partnerinnen mit komplementären Eigenschaften interessant. Ehen waren oft auf Statusungleichheit und Arbeitsteilung angelegt. (Ältere) Männer mit Bildung, Beruf, Status und Einkommen suchten (jüngere) attraktive Frauen, eventuell aus einer niedrigeren sozialen Schicht. War die Beziehung geschlossen, blieb das Verhältnis in der Regel asymmetrisch. Der Mann war der Außenposten, der das Geld nach Hause brachte, die Frau kümmerte sich um den Haushalt und sorgte für die Kinder. Das Muster, wonach in Beziehungen häufig ökonomische Stärke und physische Attraktivität ausgetauscht werden, ist für verschiedene Kulturen gut belegt (Buss 1994). Man kann das am Beispiel des wiedervereinigten Deutschland sehr anschaulich illustrie
ren: In den ersten Jahren nach der Wende gab es einen Boom der Ost-West-Partnerschaften, wobei in der Regel Männer aus den alten Frauen aus den neuen Bundesländern heirateten (Mau/Gielke 1996). Daten aus Berlin belegen, dass zwischen 1991 und 1994 achtzig Prozent aller Ost-West-Trauungen dieser Logik folgten. Diese Schieflage bei der innerdeutschen Heiratsaktivität ist vor allem auf sozioökonomische Unterschiede zurückzuführen. Der Westdeutsche trat den Ostdeutschen vor allem als höherer Beamter, Manager, Dozent oder Berater gegenüber; die Ostdeutschen, die in den Westen gingen, füllten die unteren Ränge der Unternehmen auf. Diese Asymmetrie erklärt auch, warum die ostdeutschen

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