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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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Schüler bereits beim Anblick der Berge wegen akuter Höhenkrankheit kollabieren oder nach der ersten Nacht auf dem Zeltplatz wie von Mücken leer gesaugte Mumien umherwandeln, weiß der Pädagoge: Das wird eine Klassenfahrt Stufe 3. Jetzt heißt es Augen zu und durch.

Abendessen in Absurdistan
    Unsere Dogge Adenauer hustete würgend einen Haufen Tortellini auf den Perserteppich, während vor dem Fenster ein Gewitter aufzog. Ashley schaute genauso betreten drein wie ich. Langsam zweifelte ich daran, dass es eine gute Idee gewesen war, sie zum Abschied zu uns nach Hause zum Abendessen einzuladen. Bisher lief es eher mittelmäßig. Mittelmäßig in dem Sinne, dass der worst case ein Dinner bei Idi Amin war, bei dem es zum Hauptgang Menschenherz in Soße gab. Es war der letzte Abend des Schüleraustauschs, und morgen früh würde Ashley schon wieder in einem ratternden Reisebus Richtung Hastings sitzen.
    Dabei hatte der Abend eigentlich gar nicht so schlecht begonnen, denn als wir das Haus betraten, frönten meine Eltern gerade ihrem einzigen Laster, dem Privatfernsehen. Genauer gesagt: dem knuffigen Oberlehrer der Nation Günther Jauch und seinen meist grenzdebilen Gästen bei »Wer wird Millionär«. Eine angemessene Begrüßung war also nicht zu erwarten, stattdessen ließ sich nur ein schmales Kichern vernehmen, unter der geschlossenen Tür des Wohnzimmers drang ein fahler Lichtschimmer hervor.
    Ich öffnete die Tür, meine Eltern saßen auf der Wohnzimmercouch, die meist als Bett für unsere absurd großen Hunde diente, Adenauer hockte zwischen ihnen und atmete eine Spuckeblase zwischen seine Lefzen. Meine Eltern starrten wie gebannt auf den Fernseher, meine Mutter schlug lächelnd die Hände zusammen, während mein Vater mit gekräuselter Stirn durch seine Lesebrille Richtung Bildschirm lugte.
    »So ein dummes Huhn«, knurrte er und griff blind zur Kaffeetasse, die auf einem kleinen Tablett neben ihm stand.
    »Ja, aber Herr Jaaaauch, hihihi«, plärrte da eine dicke Frau mit Dauerwelle und Knollennase aus dem Fernseher, gurgelnd vor Begeisterung griff sie nach ihrem Maskottchen, einem goldenen Delfin, der an einer Kette von ihrem Handgelenk baumelte.
    »’n Aaaabend«, versuchte ich erneut das Begrüßungsritual zu starten, aber meine Eltern waren in 60 Minuten hochwertigen Privatfernsehens gefangen, selbst der Hund hatte es sich unter der wohligen RTL -Käseglocke gemütlich gemacht.
    »Ah, ›Wer wird Millionär‹?«, fragte ich jenseits aller Doofheit ins Offensichtliche, nur um irgendeine Reaktion zu provozieren, schließlich hatte ich, wie angekündigt, meine erste Freundin (!) mitgebracht.
    »Das ist so ein dummes Huhn, unmöglich, schau dir das mal an«, zeterte mein Vater und deutete vorwurfsvoll auf den Fernseher, als hätte ich die ahnungslose Kandidatin da selbst hingesetzt. »Hallo, Schatz«, knuddelte mich meine Mutter und drückte mir einen Schmatzer auf, während eines ihrer Augen wie fest getackert an der Mattscheibe kleben blieb, auf der Sabine Hubermöller, eine Sekretärin aus Passau, gerade mit völliger Ahnungslosigkeit im Trüben fischte.
    »Also Robert, wenn die das schafft, musst du dich da auch mal bewerben«, stichelte meine Mutter, die genau wusste, dass mein Vater mit seiner ironisch-kühlen Art jeden Talkmaster in Grund und Boden schweigen würde.
    Erst als sich die nächste Werbepause ankündigte, lösten sie ihre Blicke vom Fernseher – und husteten kurz, als sie Ashley erblickten.
    Meine Eltern, die es schon als »flippig« empfanden, im Sommer kurze Hosen zu tragen, schauten meine erste Freundin an, als käme sie von einem anderen Planeten. Der Abstand zwischen England und Deutschland betrug in diesem Fall nicht nur einen Ozean, sondern sogar mehrere Sonnensysteme. Auch Taylor war ab morgen wieder weg, allerdings hielt sich meine Trauer über diese Tatsache stark in Grenzen, immerhin konnte ich dann wieder in meinem eigenen Bett schlafen.
    Ashley hatte im kosmetischen Bereich wirklich etwas übertrieben, denn sie war stärker geschminkt als eine Busladung voller Drag Queens. Ihre Haut war kalkweiß, unter dem rechten Auge funkelten ein paar schwarze Tränen, der rote Lippenstift war verschmiert und machte den Eindruck, als hätte sie eben noch einen frischen Eimer Schweineblut getrunken.
    »Ich glaub, sie hat da ein Aua«, fasste meine Oma ihre Verwunderung über das Aussehen meiner Freundin beim anschließenden Abendessen in eine dadaistische Wortstafette und fuchtelte mit

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