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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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uns stattfand. Von Patrick hatte ich mich bereits am Vortag verabschiedet, unsere Umarmung war ungewohnt frostig gewesen, er war wohl recht sauer darüber, dass ich statt einer gemeinsamen Fahrt in die Sonne lieber den sicheren Tod an der Bergkuppe vorzog.
    Trotzdem gab er mir noch ein ernst gemeintes »Viel Glück« mit auf den Weg und riet mir mit verschwörerischer Miene, dass ich »mich jetzt echt mal reinhängen« müsse, »damit das mit Hanna klappt.«
    »Am besten, du machst einfach jeden Blödsinn mit, das beeindruckt Frauen!«, sagte er und klopfte mir fast väterlich auf die Schulter.
    Auf dem magentafarbenen Kasten war noch blass die Aufschrift »Bus Reihermann« zu erkennen, und aus dem kleinen Seitentürchen drückte sich ächzend ein dicker Mann mit durchgeschwitztem Hemd heraus, der uns unsicher durch eine Brille anlugte, die seine Augen auf den Umfang von Mandarinen vergrößerte.
    »Hier is’ Alpen«, fasste der Mann, der sich im Folgenden mit dem schönen Gleichnis »Ick heiß Örnst, und so bin ick auch« vorstellte.
    Ernst oder, wie er es aussprach, »Örnst« war Busfahrer aus Leidenschaft und eher ein Mann der direkten Ansprache.
    »Der is’ aba bisken fett für ’n normalen Sitzplatz, oder?«, fragte Örnst daher ohne Umschweife, während er mich ansah und dabei völlig negierte, dass er selbst einen Hauptanteil der Maximalladung des Busses ausmachte.
    »Das passt schon«, murrte ich, auch um die Aufmerksamkeit meiner Mitschüler nicht noch weiter zu erregen, die mich menschgewordenes Butterfässchen und meine Familie schon durch die verdunkelten Fenster unserer Seifenkiste beobachteten.
    »Pass auf dich auf, mein Schatz«, trällerte meine Mutter mit schwerer Stimme und warf die Arme um mich. Die anderen im Bus lachten sich offensichtlich kaputt und vergaßen dabei, dass ihre Eltern sie wenige Minuten zuvor wohl noch tränenreicher verabschiedet hatten. Die Sorge meiner Eltern war wohl erst bei Beschau unseres Busses aufgekeimt, denn wenn man ehrlich war, konnten wir froh sein, wenn dieser marode Brotkasten mit dem dicken Örnst am Steuer es bis nach Herne-Wanne zur Autobahnauffahrt schaffte.
    Mein Vater legte seine Hand auf meine Schulter und nickte still.
    »Du machst das schon«, log er. Dann musste er wieder lachen. Ich nicht.

Alp(en)träume
    »Toskana, Toskaaaana«, dachte ich nur, als ich aus der verschmierten Scheibe unseres Busses auf die kahle, graue Mittelstreifenbepflanzung der Autobahn starrte. Es roch nach Klo. Die enge Bustoilette war verstopft, nachdem Gökhan zum Spaß eine ganze Packung Tampons darin versenkt hatte.
    Warum nur hatte ich mich für diese Kamikazefahrt entschieden? Ich konnte weder Ski fahren, noch war mir Schnee geheuer. In Gelsenkirchen schneite es eigentlich nie, und wenn doch, verrührten die Füße der Einwohner und der omnipräsente Feinstaub alles nach wenigen Stunden zu einer braunen Soße.
    Doch dann tauchte ein Gesicht in der ersten Sitzreihe auf, das mich für alles entschädigte. Wie ein Sonnenstrahl schob sich der Glanz Hanna Sommers durch die klamme Luft der Innenkabine in mein Sichtfeld.
    Nur um diesen Anblick zwei Wochen genießen zu können, hatte ich mich auf die Skifahrtliste gesetzt, auf der sich nach zwei Wochen gerade mal sieben Namen eingefunden hatten, die alternative Toskana-Reise war so überfüllt, dass die Schule einen extragroßen Bus chartern musste. Nur um bei Hanna sein zu dürfen, hätte ich mich auch auf eine Klassenfahrt zum Piranhaangeln in den Amazonas begeben. Ungemein strapaziöser waren allerdings die innerfamiliären Verhandlungen gewesen, die meiner Abreise vorangegangen waren. Bevor mein Vater die 750 Mark tatsächlich lockergemacht hatte, musste ich ihm noch eine Pro-und-Contra-Liste vorlegen, die mir wohl pädagogisch wertvoll klarmachen sollte, warum ich in den Alpen nichts zu suchen hatte.
    Die leicht geschönte Auflistung meiner Gründe las sich dann in etwa so:
    Pro
    eine neue Sportart erlernen, Aufenthalt in der unberührten Landschaft der Alpen, mit der Fremdsprache Italienisch in Berührung kommen, meinen Körper stählen, frische Luft und ein gesunder Teint, mit Schulfreunden unvergessliche Erlebnisse sammeln
    Contra
    Verletzungsrisiko, hohe Kosten
    Die starke Gewichtung der Pro-Punkte und der stechende Blick meiner Mutter hatten ihn schlussendlich zur Subventionierung bewogen. Hätte ich ihm die Liste meiner wahren Gründe für die Fahrt vorgelegt, wäre er wahrscheinlich weniger begeistert

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