Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
braune Hand kratzte an der Kraterlandschaft, die sein Kinn umlagerte und ein beachtlicher Wald aus schwarzem Brusthaar drang zwischen dem halboffenen Hemd hervor. Während wir Städter eingepackt waren, als müssten wir die Marsoberfläche untersuchen, vertrieb Giuseppe jeden Anflug von Grippe einfach durch seine omnipräsente schlechte Laune.
»Bongstorno«, gurrte Giuseppe an seiner Zigarette vorbei, er schaute skeptisch an unserer Gruppe entlang, wie ein General im Krieg, der erwartete, dass nur die Hälfte der Truppe zurückkehrte. Herr Schmitz antwortete weltmännisch mit einer halben Verbeugung und einem »Buon Giorno«, was Giuseppe zumindest ein leichtes Heben seines Arms wert war. Diese Geste sollte wohl bedeuten, dass wir uns jetzt mal gefälligst auf den Sitz schwingen sollten, bevor wieder Massen von Urlaubern mit ihren dicken Hintern und absurden Skianzügen seine Anlage verstopften.
Ratternd glitten die schwarzen Gummisattel durch die klapprige Holzhütte und schossen mit beachtlicher Geschwindigkeit die Steigung des Berges hinauf, um dort stecknadelgroß in einem Gegenstück der Hütte umzukehren und den Berg wieder hinunterzurasen. Andere Touristen waren noch nicht zu sehen, zu dieser Urzeit schliefen die meisten wohl noch ihren Kater vom Après-Ski aus.
»Habt ihr euch auch alle ordentlich eingecremt?«, fragte Herr Schmitz in einem eigenartig väterlichen Ton, während am wolkenlosen Himmel eine fast schon weiße Sonne emporkletterte.
»Ja, Herr Schmitz«, logen wir gemeinschaftlich. Bis auf die Fennermann-Zwillinge, die ihren blassen Teint komplett mit Sonnenschutz 50+ imprägniert hatten, verzichteten wir alle auf derartigen Klimbim. Wenn man schon schwerverletzt im ADAC-Hubschrauber nach Hause geflogen wurde, dann wenigstens mit gesunder Gesichtsfarbe.
»Habt ihr verstanden, wie der Tellerlift funktioniert?«
»Ja, Herr Schmitz«, hallte es erneut über das weiße Panorama. So weit über der Baumgrenze konnten wir endlos ins Tal hineinschauen. Dort waren hauptsächlich Bäume zu sehen, sonst begrüßte das italienische Alpenland unsere Augen durch nichts als weiße Unendlichkeit.
Unsere siebenköpfige Wehrsportgruppe Schmitz war schon ein kümmerlicher Haufen. Zwei asthmatische Zwillinge, ein Türke, der in seinem Skianzug wie ein Bergmufti aussah, Mona und ich von der Mozartkugelfraktion und Rene Maurer, der neben Hanna Sommer als einziger dreinschaute, als hätte er vor, die Auffahrt zu überleben.
Gut, dann alle mir nach … hopp, hopp, hopp«, dadaierte er die deutsche Sprache zu einem neuen Höhepunkt und sprang auf seinen schwarzen Lift-Sattel. Mit einer fließenden Bewegung schoss unser Sportlehrer den Berg hinauf. Langsam reihte sich ein Mitglied der Wehrsportgruppe Schmitz nach dem anderen ein, ich blieb als Letztes zurück und schaute meinen Mitschülern nach, wie sie langsam in die Ferne gezogen wurden.
»Alta … komm schon«, brüllte Kemal und Hanna Sommer drehte ihren Engelskopf zu mir um. Ihre blauen Augen blitzen mir kurz zu, während ich steif wie eine Moorleiche den Tellerlift anstarrte.
Jetzt hieß es Mut beweisen. Ich sprang auf das schwarze Ding zu und umklammerte es mit meinen Schenkeln wie ein Koalababy. Ich packte das gummiummantelte Halteseil und versuchte, die Ski in die eingefahrene Spur zu dirigieren … es gelang, sehr gut. Ich atmete tief ein, die weiße Horizontale zog mit einem scharfen Wind an mir vorbei, nicht mehr lang, dann würde ich neben Hanna Sommer auf der Bergkuppe stehen und vor ihren Augen hinunter rasen, die Schallmauer durchsieben, ein Kugelblitz der Leidenschaft.
»Alta, hasse geschafft, geilo!«, brüllte Kemal anerkennend, wieder konnte ich Hannas Augen wie zwei Wick Blau zu mir zurückschauen sehen. Jetzt musste ich Haltung bewahren, sportlich aussehen, die Umklammerung möglichst entspannt wirken lassen.
Gerade, als sich ihre blonde Mähne wieder der Bergspitze zudrehte, hörte ich ein kurzes Knacken im Seilzug und der Gummidraht, an dessen Ende ich immer noch mit der Kraft einer Schraubzwinge den Sattel umklammerte, straffte sich an einer Steigung so plötzlich, dass mir der Teller zu entgleiten drohte. Panisch lockerte ich meine Beinpresse und klammerte mich mit den Händen an den Teller. Durch die plötzliche Gewichtsverlagerung gerieten mir die Skier auseinander, ich machte einen Spagat, der mir fast die Leisten brach und landete auf dem Arsch. Das Drahtseil riss mich unterdessen unerbittlich wie einen Schneepflug den Berg
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