Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
gewesen.
Pro
Hanna Sommer, Hanna Sommer, HANNA SOMMER!
Contra
als lila Leberwurst ungebremst über die Piste donnern, irgendwo am Berghang an einem Baum zerschellen, zwei Wochen mit Herrn Schmitz verbringen, Gefrierbrand in Hose und Hirn
Im Gedanken an zwei Wochen mit Hanna Sommer lehnte ich mich dann doch glücklich zurück. Das war Knochenbrüche, miese Verpflegung und eine Scheißkälte wert. Langsam sank ich in einen glücklichen Halbschlaf …
… bis das Chemieklo implodierte und fünfzig Liter blaubraune Pampe in den Innenraum des Busses erbrach.
Jesus war Tiroler
»Die is’ hin«, resümierte Örnst und wühlte in dem blauen Matsch aus Klopapier, Damenbinden und Pennälerdreck, der ein wenig aussah, als hätte man die Schlümpfe püriert.
»Wer war das?«, brüllte Herr Schmitz durch den Bus, und die sieben Scheitel tauchten unvermittelt zwischen den Sitzreihen ab. Von einer auf Lebenszeit verbeamteten Lederhaut stranguliert zu werden war wohl nicht das Klassenziel.
»Gut, dann kackt hier keiner mehr«, urteilte Örnst salomonisch und schloss die Bustoilette ab, die fortan im Dunkeln einsam vor sich hinblubberte.
Herr Schmitz schaute mich verächtlich an, er vermutete wohl, dass ich die Havarie unseres Schlumpfklosetts zu verantworten hatte, aber solange ihm die Beweise fehlten, konnte er mich nicht irgendwo zwischen Innsbruck und Jochgrimm an einer Raststätte rauswerfen.
Am Horizont tauchten schon die puderzuckerweißen Spitzen der Alpen auf, weit konnte es nicht mehr sein, bis unser kleines Grüppchen von Schmitz zu Gebirgsjägeranwärtern gemacht wurde. Viel Erfolg würde er bei diesem Vorhaben allerdings nicht haben, denn außer Rene Maurer war kaum ein möglicher Rekrut anwesend.
Die Fennermann-Zwillinge waren unsere Nachbarn und Zeugen Jehovas, und seit der denkwürdigen Feier zu meinem siebten Geburtstag sprachen sie nicht mehr mit mir. Immer wenn sie mir am Gartenzaun begegneten, verdeckten sie die mir zugewandte Gesichtshälfte mit dem Handrücken, als wäre unser Haus die Brutstätte der Spanischen Grippe. Ihr Beisein bei dieser Tour war wohl nur damit zu erklären, dass Jehova keine Bikinis guthieß und es kaum eine Urlaubsform gab, bei der man sich umfassender verhüllen konnte als beim Skifahren.
Kemal hatte aus seinen Erfahrungen mit Schmuddelfilmchen gelernt und starrte deshalb begeistert auf das Mr-Bean-Video, das wahrscheinlich seit zwanzig Jahren den Videorecorder nicht verlassen hatte. Rene Maurer, unser Modellathlet, hatte dort, wo mein Bauch an seinem Äquator jede Hose fast zum Platzen brachte, einen Eight-Pack, den er bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit zur Schau stellte. Da sein Körper die erforderlichen Eiweiße für zerebrales Wachstum ausschließlich in die Bauchmuskeln investierte, war in seinem Oberstübchen ungefähr so viel los wie bei einem Badehosenverleih in der Arktis.
In der ersten Reihe, neben Hanna Sommer, saß noch Mona Bauerfeind, Hanna Sommers beste Freundin, der Sidekick, das obligatorische weniger schöne Mädchen, das Wesen wie Hanna Sommer in ihrem Halbschatten mit sich führen. Mona hatte sich im Zwischenstadium vom Mädchen zur Frau etwas verlaufen, sammelte Hello-Kitty -Tassen und brüllte jedes Mal laut »Süüüß«, sobald eine Herde Kühe, Schafe oder Ziegen am Fenster vorbeizog. Insgesamt lieb, aber anstrengend wie ein Terrier auf Speed.
Vor diesem Publikum würde sich nun also entscheiden, ob ich endlich den Mut aufbringen würde, Hanna meine Liebe zu gestehen – optimalerweise nach dem Genuss mehrerer Flaschen Korn- Sprite .
Der Bus stürzte sich mit Kriechgeschwindigkeit die letzte Serpentine hoch und kam vor einer braun gestrichenen Holzbaracke zum Stehen. Über dem Hauptportal der Pension starrte uns vorwurfsvoll ein gekreuzigter Jesus in Lebensgröße an, darunter stand – nicht minder anklagend – ein kleinwüchsiger Alpenbewohner, der uns anscheinend bereits erwartete. Er schob seinen Schnurrbart wie eine Wurzelbürste über den Lippen hin und her, als er uns desolaten Haufen Schüler sah, der sich da hüftsteif aus dem Bus quälte.
»Allo, willkomme’ in Jochgrimm, auche Passo di Oclini genannt, i bin Giuseppe, die Wirte von die schöne Pensione«, leierte er seinen Begrüßungssatz herunter, während er unsere Taschen aus dem Bus lud und im Matsch abstellte.
»Gestatten, Schmitz mein Name«, erwiderte unser Lehrer zackig, was dem stolzen Südtiroler nur ein Schulterzucken abrang.
»Kinder, verteilt euch
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