Lebenslang Ist Nicht Genug
sagte Gail tonlos.
»Ich meine ja auch nicht sofort.« Er bemühte sich um einen unverfänglichen Ton. »Ich dachte an die nächste Zeit...«
»Jetzt nicht«, wiederholte Gail.
Als sie sich wenig später nach ihm umwandte, war er nicht mehr da.
Gail wartete einen ganzen Tag lang, und als sie nichts von der Polizei hörte, rief sie Lieutenant Cole an.
»Ich wollte mich bloß mal erkundigen, ob’s was Neues gibt.« Gail hoffte, daß es einigermaßen beiläufig klang.
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine positive Antwort geben«, sagte er.
»Es hat sich also gar nichts getan?« Gail versuchte vergeblich, ihr Erstaunen zu verbergen. »Ich hatte so ein untrügliches Gefühl, daß sich was Neues ergeben habe...« Sie stockte, aus Angst, sich zu verraten, wenn sie noch mehr sagte.
»Wir werden schon noch vorankommen«, versicherte er.
»Wann?«
»Das kann ich Ihnen natürlich nicht im voraus sagen.«
»Was können Sie mir denn sagen?«
»Daß wir weiter an dem Fall arbeiten und nicht aufgeben.«
»Was heißt das konkret? Können Sie mir nichts Genaueres sagen? Verfolgen Sie eine neue Spur?«
»Nichts Handfestes.«
»Wie meinen Sie das? Gehen Sie denn nicht allen Hinweisen nach? Ganz gleich, wie unbedeutend sie scheinen mögen? Jeder Telefonanruf, jeder Tip, wie unwahrscheinlich er auch klingt... Prüfen Sie das denn nicht alles nach?«
»Natürlich tun wir das. Gail, worauf wollen Sie hinaus?«
»Nichts, gar nichts«, versicherte Gail rasch. »Ich hatte bloß gehofft, Sie seien ein Stück weitergekommen.«
»Das werden wir. Geben Sie nicht auf.«
»Das habe ich nicht vor«, sagte Gail und legte auf.
23
Der Abend vor Allerheiligen war kalt und stürmisch. Halloween, die Nacht der Hexen, dachte Gail, als sie aus dem Küchenfenster schaute. Die Nacht der Elfen und Kobolde, aber auch die der Freaks.
»Ich hab’ dir schon vor’ner Woche von der Party erzählt«, jammerte Jennifer hinter ihr.
»Tut mir leid, Spätzchen, aber ich kann mich nicht erinnern.« Gail suchte den Himmel nach Sternen ab. Doch es war eine finstere Nacht. »Ich hätte dir auf keinen Fall erlaubt, hinzugehen. Es ist ein Werktag, und du weißt genau, daß du unter der Woche nicht ausgehen darfst.«
»Ich hab’s dir erzählt, ganz bestimmt. Du hast bloß nicht zugehört. Du hörst ja überhaupt nicht mehr zu.«
»O doch, natürlich höre ich dir zu«, sagte Gail ungeduldig, aber darauf bedacht, sich nicht in die Defensive drängen zu lassen.
»Ich hab’ dir erzählt, daß Marianne an Halloween eine Party gibt, und du hast gesagt: ›Das klingt ja großartig.«
Gail drehte sich zu ihrer Tochter um. »Tut mir leid, Spätzlein, aber ich erinnere mich nicht. Zumindest hast du mir sicher nicht gesagt, daß die Party unter der Woche stattfindet.«
»Ist doch nicht meine Schuld, daß Halloween dieses Jahr auf einen Wochentag fällt«, jammerte Jennifer.
»Haben die Damen etwa Schwierigkeiten?« Jack kam in die Küche, vor dem Gesicht eine furchterregende Maske.
Jennifer brach in Gelächter aus und vergaß für einen Moment den Streit mit ihrer Mutter. »O Jack, wo hast du denn die aufgetrieben?«
»Ich hab’ sie vor’n paar Jahren auf einem Kostümfest getragen. Erinnerst du dich?« wandte er sich an Gail. »Bei den Thompsons.«
»Du willst doch nicht an die Tür gehen, wenn’s klingelt, oder?« fragte Jennifer.
»Doch, genau das hatte ich vor.« Jack lächelte.
»Wann fängt denn deine Party an?«
»Um acht, aber Mom sagt, ich darf nicht hingehen.«
»Nanu? Warum denn nicht?«
»Frag doch sie!«
»Gail?«
»Ich kann mich nicht erinnern, daß Jennifer mir etwas davon gesagt hat, daß diese Party unter der Woche stattfindet.«
»Aber natürlich hat sie das«, widersprach Jack. »Neulich beim Frühstück. Da hat sie uns erzählt, daß eine Mary Sowieso...«
»Marianne«, korrigierte Jennifer, die sich dem Sieg nahe glaubte.
»Ich finde es einfach nicht richtig, daß sie heute abend weggeht.« Gails Stimme drohte sich zu überschlagen. »Die irrsten Typen ziehen an Halloween durch die Gegend. Heute abend treiben sich’ne Menge Verrückte auf den Straßen rum, die Halloween als Entschuldigung für ihre Wahnvorstellungen benutzen. Ihr braucht nur Radio zu hören, da wird ständig davor gewarnt, Kinder ohne Begleitung Erwachsener rauszulassen. Eltern sollen die Äpfel, die man ihren Kindern schenkt, nach Rasierklingen untersuchen und sich vergewissern, daß Bonbons und Schokolade nicht mit irgendwelchen Giften
Weitere Kostenlose Bücher