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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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man hört, wenn man das Messer durch sie zieht, um den goldschründigen Doppelbuckel vom porösen halbbraunen Boden zu trennen.
    Bei solchen Brötchen und bei einem Bäcker, der solche macht, klinge ich ungerecht. Vielleicht bin ich es, vielleicht habe ich Gründe und bin es dann nicht. Man soll es ruhig prüfen.
    Natürlich hatte ich den Bäcker nicht für mich allein. Als ich zum ersten Mal die Schlange vor seiner Tür sah, hielt ich es für ausgemacht, daß ich ihr Teil niemals werdenwürde. So gut kann gar kein Backwerk sein, dachte ich, aber wenn ich in die abgelebten Teigwaren vom Konsum biß, dachte ich es weniger heftig. Und eines Morgens reihte ich mich in die Queue.
    Der Bäcker öffnete um sieben. Auch eine Nachricht, zu der man beteuern muß, sie stimme. Wirklich, er öffnete um sieben, und eine halbe Stunde vorher stand ich bei ihm an. Die Frau vor mir wußte gleich, wie neu ich in dieser Sache war, und dafür, daß ich ihr auf ihre erstaunlich umfassenden Fragen stückweise meinen Lebenslauf lieferte, unterwies sie mich in den Techniken des Brötchenerwerbs bei Bäcker Schwint. Sie sprach etwas laut, wie es Schwerhörige tun.
    Sind Sie neu hier? fragte sie, und dann sagte sie: Sie sind neu hier!, und sie sagte: Halb sieben ist gerade richtig. Man steht nicht zu lange, und man kommt nicht zu spät. Sind Sie der neue Mieter bei Schlössers? Sie sehen nicht aus wie ein Junggeselle. Oder sind Sie geschieden? Also geschieden. Wenn Sie um halb sieben kommen, sind Ihnen Schrippen sicher. Wer später aufsteht, muß Knüppel nehmen. Die Knüppel von Schwint sind nicht schlecht, aber Schwint seine Schrippen sind wie beim Kaiser. Hatten Sie, wo Sie herkommen, auch so einen Bäcker? Nein, hatten Sie nicht, dann wären Sie nicht weggezogen. Zeigen Sie Ihr Netz! Ja, das geht, aber kommen Sie bei Frau Schwint nie mit so einem Elastikding, wo sie die Brötchen mit Gewalt hineinstopfen muß, da gibt sie Ihnen bald nur die verhutzelten Stücke. Die steifen Plastenetze mag sie auch nicht, da ekelt sie sich vor. Am besten ist ein Leinenbeutel, so wie Schwint seine Brötchen sind, und ich warne Sie, Schwint hat wegen Totschlag gesessen, er ist eifersüchtig.
    Das mochte er von mir aus ruhig sein, ich wollte nur an seine Brötchen. Aber ein wenig geschmeichelt fühlte ich mich doch, denn da die Frau mich nicht weiter kannte, hatte sie die Warnung auf den bloßen Augenschein von mir geliefert.
    Ich habe jedoch bald erfaßt, daß der Bäcker eifersüchtig war ohne alles Ansehen der Person. Jeder Mann in der Nähe der Bäckersfrau rief seinen Argwohn wach, und er gab sich auch keine Mühe, das zu verdecken.
    Viel Sinn machte die Sache nicht, denn die Bäckerin war zwar nicht unansehnlich, aber sie war mit ganzer Hingabe einzig beim Brötchenverkauf. Wie ihr Mann als ein Meister seines Handwerks gelten konnte, war sie eine Meisterin des ihren. Sie wußte, wer helle Schrippen nahm und wer lieber scharfgebackene wollte, sie zerschnitt die Brote so, daß die Teile wirklich Hälften waren, sie kannte die meisten Kinder bei Namen, dankte und grüßte und gab Kindern und Alten ein Extrawort, und wer krank gewesen war, durfte rasch sagen, daß es ihm nun viel besser gehe.
    Wie sehr sie eine Könnerin war, zeigte sich vor allem an ihren Kunden. Die sorgten selber, daß die Reibungsverluste niedrig blieben, indem sie ihre Bewegungen mit denen der Verkäuferin synchronisierten. Man hielt passendes Geld parat, Erwachsene halfen Kindern, und junge Frauen achteten, daß stoppelbärtige Opas und taube Großmütter der Bewegung nichts von ihrem Schwunge nahmen.
    Und die Erfahrenen wiesen den Neuling ein, zum Beispiel Frau Lörke mich: Wenn Sie hier Schrippenkunde sein wollen, müssen Sie auch Kuchenkunde werden. An den Schrippen verdient Schwint nichts, und sein Kuchen ist nicht besonders, aber wenn Sie keinen nehmen, merken Sie das bald. Schwint steckt nicht in seinen Brötchen drin,und das, was nicht so geworden ist, kriegen Sie dann. Oder Sie kommen zu spät und müssen Knüppel nehmen, aber wenn Sie Tortenkunde sind, greift Frau Schwint hinter den Knüppelberg, wo sie die Reserven für Tortenkunden hat. Wie Sie heißen, können Sie einmal sagen, wenn er mit im Laden ist. Am besten, Sie sagen es zu ihm, dann denkt er nicht, Sie wollen was von seiner Frau. Das ist für keinen gut, wenn Schwint das denkt. Wie heißen Sie denn?
    Ich heiße Farßmann, sagte ich, und ich dachte: Dafür, daß es am Ende um eine Annehmlichkeit zum Frühstück

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