Lebenslauf zweiter Absatz
unangemessen, mit einem Groschenbetrag in den Kundenkreis einzutreten, und durch die differenzierte Bestellungwollte ich wahrscheinlich kundtun, daß man in mir getrost einen Kenner vermuten dürfe.
Keinesfalls hatte ich im Sinn gehabt, mein Alleinsein zu vertuschen, aber am Rücken des Herrn Schwint las ich ab, wie er meine Bestellung verstand: Mann mit Frau und Kind, und zwar solchen, die ihm etwas bedeuten. Die nicht einfach zu nehmen haben, was er bringt, sondern gebracht bekommen, was sie wünschten. Die ihren eigenen Geschmack haben, der berücksichtigt wird. Der neue Mann in der Kundschaft ist ein rücksichtsvoller Familienvater. Also Entwarnung, halbwegs jedenfalls.
Von mir aus, guter Freund, so dachte ich, als ich des Bäckers Rückenmuskeln von ihrer Spannung verlieren sah, von mir aus könnten Sie aus allem Alarm. Ich bin auf keiner Schürzenjagd. Ich war erst jüngst beim Scheidungsrichter und will ihn nicht mehr sehen. Vor meinen Augen, werter Bäckermeister Schwint, hat sich meine Frau aus einer natürlichen in eine juristische Person verwandelt, das war mir ziemlich scheußlich.
So habe ich gedacht, und so hätte ich gesprochen, wäre es schon diesmal zur Zwiesprache zwischen Herrn Schwint und mir gekommen und wären wir dabei allein gewesen. Aber wir waren nicht allein, und ich war noch neu. Da habe ich die Brötchen bezahlt und bin aus dem Laden gegangen, und auf dem Heimweg schalt ich mich, weil ich nun immer das Dreifache des benötigten Gebäcks würde ankaufen müssen, denn: Zwei scharfe, zwei helle und zwei normale! das hatten sich zumindest Frau Schwint, Herr Schwint und die schwerhörige Frau Lörke gemerkt, und künftige Beschränkung auf zwei Schrippen würde ganz gewiß zur Vernehmung durch Frau Lörke führen.
Aber Verhör fand auch so am anderen Morgen statt. Die Nachbarin Lörke wollte wissen, ob ich tatsächlich sechs Brötchen zum Frühstück verzehrte und warum dann so verschiedene. Sie traf mich präpariert. Ich hatte ihr zwei Kolleginnen in meinem Betrieb erdacht, und andeutungsweise ließ ich innige Verhältnisse zwischen denen und mir bestehen, so innig, daß ich im Grunde nicht meinetwegen, sondern im Dienste der beiden Damen so früh in der Bäckerschlange stand. Frau Lörke mochte die Geschichte.
Und ich fand allmählich selber Gefallen an den Weibspersonen, die ich ersonnen hatte, um Frau Lörke die Schrippenmenge einleuchtend zu machen. Sie waren von äußerstem Liebreiz, beide. Sie waren in Charakter und Erscheinung unterschiedlicher nicht zu denken und nur in einem gleich: in ihrer innigen Verbindung mit mir. Und, daß ich es nur nicht vergaß, in etwas anderem glichen sie einander: Sie waren, anders würde ich ihre Nähe nicht gesucht haben, sie waren beide unverheiratet. Aber sonst herrschte der krasseste Gegensatz, was schon an den Brötchen zu sehen war: Die eine war nur auf scharfe scharf, und die andere wurde weich durch weiche. Zu diesem Wortspiel kicherte Frau Lörke.
Wer weiß, was sie verstanden hatte. Sie hörte wirklich nicht gut. Zum Beispiel war sie der Meinung, ich sei Buchhändler, und gesagt hatte ich auf eine ihrer unzähligen Fragen, daß ich Buchhalter war. Das schien nicht wichtig, aber war es dann doch.
Solange Frau Lörke etwas lüstern nach meinen Buchhändlerinnen fragte, war es nicht wichtig, und am ersten Sonnabend kam mir die Verwechslung sogar gelegen, denn ich hatte etwas gedankenlos wieder die drei Brötchenpaarebestellt, und da traf es sich, daß Buchhändler auch sonnabends arbeiten, Buchhalter hingegen kaum.
Wenn man aber Buchhalter ist und von einem Buchhaltergehalt lebt, gehen zwei Phantombräute spürbar ins Geld. Schon die überzähligen Schrippen belasteten meinen Etat, aber ich konnte nicht gut Kuchen kaufen, wie Frau Lörke mir geraten hatte, ohne meine beiden Gespielinnen mit Liebesknochen und Plundertaschen zu bedenken.
Das überschüssige Gebäck, welches ich nur erwarb, weil ich von einem Bäckerrücken Argwohn abgelesen hatte, brachte mich nicht nur finanziell aus der Balance: Ich hatte keine Lust, unverzehrte Brötchen zu Semmelmehl zu reiben, zumal ich auch nicht wußte, wohin mit all dem Semmelmehl, und ich hatte Skrupel, übriggebliebenen Kuchen dem Müllschlucker in den Rachen zu werfen. Also nahm ich die fabelhaften Schrippen und das nicht so fabelhafte Gebäck mit in meine Buchhaltung, und schon sah ich mich in weitere Schlingen verstrickt: Nun wollten alle im Büro so wunderbare Brötchen haben, und ich mußte
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