Lebenslauf zweiter Absatz
war, in der man an niemandes Schuhwerk noch weiter Anteil nimmt.
Ich dachte: Davon hat sie vorhin nichts erwähnt, und von Mehlwurm und Made scheint sie den Nachbarn nichts gesagt zu haben. Sie hat wohl nur gesagt, daß Frau Persokeit in aller Stille entschlafen ist.
Unsere Küche war nicht groß, aber wenn sich die Nachbarn verteilt hätten, wäre für jeden irgendeine Art Sitzplatz dagewesen. Doch sie standen zusammengedrängt am Fenster zwischen Herd und Speisekammer, und sie schienen in dieser Sache eine gemeinsame Haltung einzunehmen: Meine Eltern hatten eine tote Frau im Haus, da mochten meine Eltern sehen.
Auch der Ausdruck ihrer Gesichter war gleich, und ich konnte ihn lesen. Lehrer sahen einen so an, wenn man ihnen mühevoll eine Entschuldigung geliefert hatte. Der Krämer hatte diesen Blick, nachdem ihm versichert worden war, schon morgen werde das Angeschriebene beglichen. Wachtmeister Lange guckte von Amts wegen so. Frau Persokeit und in aller Stille! Frau Persokeit entschläft beim Geldeintreiben! Frau Persokeit hat eben gehört, sie wird ihre Rate nicht kriegen, da macht sie ein Nickerchen. Und weil es ihr so gleichgültig ist, wacht sienicht wieder auf. So hat man Frau Persokeit immer gekannt!
Als ob ihr die Stille peinlich sei, fragte Frau Diebel: Müßte man sie nicht zudecken?
Aber Jacques Staroski erklärte: Am Tatort wird nichts verändert!
Was für ein Tatort? wollte mein Vater wissen.
Staroski korrigierte sich, aber sein Ton enthielt keine Korrektur: Der Ort, wo Frau Persokeit ihren letzten Seufzer tat.
Ich werde dir bei Tatort! sagte mein Vater.
Was meinst du, Rosi, sprach Frau Birke zu Frau Schley, was wird die Polizei wohl sagen?
Ja, was die wohl sagen wird!
Der Nachtwächter Staroski sagte: Wo sie eine Leiche haben und einen Täter suchen, fragen die nach dem Motiv.
Du bist feste dabei, mir ein Motiv zu liefern, sagte mein Vater.
Jetzt zeigte Frau Schwattner, die Seemannsfrau, wie sie sich beim vielen Alleinsein Gedanken zu machen wußte: Wenn es ein Motiv ist, daß man Schulden bei Frau Persokeit hat, dann haben wir alle ein Motiv.
Wohl und schon, sagte Herr Heiliger und bewies, daß er die Schmähung der Weißen Wyandotten noch nicht vergessen hatte, nur sitzt die Persokeit nicht bei allen in der Küche und ist so tot!
Und Frau Diebel erklärte, sie habe keine Schulden und somit auch kein Motiv, und sie löste sich ein wenig aus der Gruppe der Nachbarn am Fenster.
Dinen Handel, sagte Frau Kirschbeet und war den Tränen nahe, den schmieten wi ook um, wenn wi dat allens umschmieten!
Nun ist gut, rief mein Vater, nun bitte ich, den Tatort zu räumen, damit ich meine Beute noch verstecken kann.
Aber Jacques Staroski sagte: Mit Wachtmeister Lange mache du lieber nicht solche Witze. Wenn ihm die Leiche nicht genug Geld in der Tasche hat, wird er sich sowieso Gedanken machen.
Seit langem rührte sich meine Mutter wieder: Dann muß er sich viele Gedanken machen, hier ist kein Geld. Sie hat andauernd mit dem leeren Portemonnaie geklappert und mir gezeigt, wie leer es ist. Sie hat es umgestülpt, daß ich sehe, wozu sie die Rate braucht. Wenn ich gesagt habe, mein Mann ist krank, hat sie mit dem Verschluß geklappt. Wenn ich sage, die Schule will das Milchgeld, schnapp! Ich sage, ich kann zur Zeit nichts zuverdienen, und sie macht schnapp. Ich sage, der Gärtner hat nichts gezahlt, und die Schuhe mußten zum Schuster, und für Kruligks ist gesammelt worden, und sie macht schnapp, schnapp, schnapp …
Da hätten wir, sagte Jacques Staroski, eine fällige Rate, ein leeres Portemonnaie und nun noch einen Wutanfall.
Weil es so ruhig in unserer Küche war und ich Angst bekam, rief ich überlaut: Meine Mutter sagt die Wahrheit!
Aber die wollte nur wissen, warum ich nicht beim Wachtmeister war, und dann hatte der Fachmann Staroski wieder das Wort: Sie wollen also sagen, die Geldverleiherin hat Sie durch ihr Benehmen aufgereizt, bis Sie sich nicht mehr anders zu helfen wußten?
Für Jacques Staroski schien die Sache klar zu sein, und er nickte Nachbar Binder zu, aber der hob nur die leeren Hände.
Mein Vater öffnete die Küchentür und wies mit dem Daumen hinaus, und man schien gehorchen zu wollen,als Herr Heiliger hinwarf: Wenigstens die Rate würde ich ihr ins Portemonnaie tun!
Warum? fragte mein Vater, und Herr Heiliger gab ihm die Antwort: Weil der Wachtmeister die Frau kennt und weiß, daß sie noch nie ohne Geld vom Hof gegangen ist. Wenn sie was in der Tasche hat, scheidet
Weitere Kostenlose Bücher