Lebenslauf zweiter Absatz
Vorteil für ihn, sollte Bäcker Schwint dann mir etwas an den Nagel hängen?
Ich müßte weiter in die Queue um halber sieben in der Früh, müßte verbleiben beim überzogenen Budget und bei der Mär vom unbalancierten Liebeshaushalt, käme nicht fort aus dem lebensgefährlichen Argwohn, den der Bäcker gegen Männer hegt, mit denen er keinen Handel hat, und vor allem müßte ich wieder und wieder in jene Wildnis, in der die warme Schrippe nur eine Gnade und niemals Gewißheit ist.
So war es ein Glück, daß der Billettmann vom Brötchenmann nicht wußte, und theoretisch den Fall gesetzt, ich begegnete dem einen, wie ich dem anderen praktisch begegnet war, so würde ich dem Parkballmenschen kein Wort vom Vorhandensein eines Letzten Großen Bäckers sagen.
Aber das alles war aberwitzige Hypothese, und ich sagte meinem Vetter, von Geburt und Stand seien wir nicht die Leute, Eingang zu finden in jenen Ballkreis, und wie, um Himmels willen, war er zu so verblasener Absicht gekommen?
Ernsthaft, er hatte ein Mädchen beim Füttern der Karakulschafe gesehen, und ernsthaft, er hoffte, dieses einmalig herrliche Wunderding von Schäferin im Festgepränge wiederzufinden. Dort, sagte er, und der hartgesottene Besitzer von Kin Ping Meh errötete dabei, dort werde er sie ansprechen.
Nun ist vielleicht jemand, der, wie ich, bereit ist, sich zweier Brötchen wegen in umständliche Verstrickungen zu begeben, nicht so geeignet, das Gebaren seiner Mitmenschen zu beurteilen, aber ich fand das Gebaren meines Vetters ausgefallen. Einzig die Liebe reichte als Erklärung zu, denn einzig in ihr gelten keine Abreden.
Was erkennbar wird, wenn man sieht, daß mein Vetter bereit war, sich von Kin Ping Meh zu trennen, vorausgesetzt, er käme dadurch einem Mädchen nahe, welches wahrscheinlich ein wenig nach Schafen roch.
Meines Vetters Verrücktheit fachte meine an: Ich fragte mich durch zum Verteiler der Parkballkarten. Natürlich war er das nicht im Hauptberuf, im Hauptberuf war er Erster Persönlicher Beauftragter für die Sicherung des Staatlichen Branntweinmonopols, und als solcher war er ein eisenharter Mann.
Er muß mich, da ich ihn ohne Umschweife um eine Ballkarte gebeten hatte, für einen humoristischen Abenteurer gehalten haben, denn er verschwendete weder Klagen noch Argumente an mich, sondern erzählte mir zugespitzte Begebenheiten aus seinem Leben als Doppelposten.
Die Anschläge auf das Branntweinmonopol waren im Vergleich mit den Vorkommnissen, bei denen es um Ballkarten ging, ganz flache Bubenstreiche, und so stabil das Branntweinmonopol des Staates war, so labil blieb das Prinzip der gerechten Verteilung von Tierparkfestbilletts.
Dem Doppelwächter ging einfach nicht ein, wie es zusammenhängen mochte, daß er die Karten an redliche Abteilungsleiter, Brigadiers und Spitzensportler reichte, und wenn es dann zur festlichen Polonäse kam, führte der zweifelhafte Eismann vom Prenzlauer Berg eine Dame zum Tanz, die an einem günstigen Punkt des Anzeigenwesens frühzeitig Einblick in trächtige Annoncen gewann.
Wie die das nur machen, sagte der Erste Persönliche Beauftragte, und weil er so gänzlich unbereit schien, faules Spiel für möglich zu halten, beschränkte ich mich auf die ungenaue Anmerkung, die Leute hätten wohl ihre Beziehungen, und er konnte nichts damit anfangen.
Beziehungen, sagte er, das ist ja gerade meine Frage: Wie machen sich die Leute ihre Beziehungen? Die können doch nicht in die Zeitung setzen: »Biete Ballkarten, suche …« Oder: »Suche Ballkarten, biete …« – Was wollten Sie eigentlich bieten?
Ich wollte gar nichts bieten, sagte ich, ich suche nur!, und ich hörte den seltsamen Klang der Wahrheit in meinen Worten. Die Einsicht machte mich betroffen, daß ich tatsächlich nichts zu bieten hatte, und ich war bereit, hierin den Grund für meine Kühnheit zu sehen. Denn kühn war es wohl, so mittellos auf die Suche nach Einlaßkarten für das begehrteste hauptstädtische Fest zu gehen, kühn oder verrückt, weil: mittellos, das hieß auch aussichtslos.
Was brauchen Sie denn? sagte ich zu dem Ersten Persönlichen Beauftragten für die Sicherung des StaatlichenBranntweinmonopols, und ganz sicher hätte er mich auf diese Frage hin verhaften lassen, wäre unsere Begegnung spirituosensteuerlicher Natur gewesen.
Und Sie haben wirklich nichts? fragte er.
So gut wie nichts, sagte ich. Ich kenne einen eifersüchtigen Bäcker, der mir zwei warme Brötchen an den Nagel hängen wird, wenn ich ihm
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