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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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Vergänglichkeit der irdischen Existenz und erhielt ihr Licht vom ewigen Leben, an das man leidenschaftlich glaubte. Was sich in der Krypta der Kirche Santa Maria della Concezione dann aber abspielt, überschreitet für Nachbarockmenschen vielleicht doch die Grenze des Verstehbaren. Da sieht man aus Menschenknochen verfertigte Girlanden und lustige Muster. Die ehemaligen Besitzer der Knochen wollten das so. Es waren Kapuzinerpatres, denen vor allem die Volksseelsorge anvertraut war. Bei der sprichwörtlichen Kapuzinerpredigt gaben sie ihr Äußerstes, um die Menschen zu einem vertieften christlichen Glauben zu führen. In der Krypta von Santa Maria della Concezione gaben sie sozusagen auch ihr Innerstes, ihre Knochen, um den Menschen die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz deutlich zu machen und sie zum Wesentlichen zu rufen. »Mensch werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht, so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht«, dichtete zur gleichen Zeit Angelus Silesius in Schlesien.
    Es ist klar, dass es hier nicht um einen morbiden Todeskult geht, wie er heute von den neuheidnischen »Gruftis« betrieben wird. Der Tod bleibt ein Ärgernis für den Menschen. Es geht um einen angemessenen Umgang mit diesem Ärgernis.
    Eine solche Haltung der zuversichtlichen Gelassenheit gegenüber dem Tod hat den christlichen Märtyrern die Kraft zu ihrem Zeugnis gegeben. Und das Besondere dieser Märtyrer, so wird man wohl in unseren Zeiten hinzufügen müssen, besteht unter anderem darin, dass sie niemals im Hass gegen einen Feind gestorben sind, sondern unter dem strengen Gebot Christi: »Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen«, und in Erinnerung an die Worte Christi am Kreuz über seine Peiniger: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Sterben für den Glauben und im Sterben den Glauben an die Überwindung des Todes bewahren, das ist das christliche Zeugnis, das Menschen wie Dietrich Bonhoeffer beredt gegeben haben. Das gilt auch von den aufrechten Männern des 20. Juli, die vor dem brüllenden Vorsitzenden des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs mit leiser Stimme ihre Würde bewahrten. Ein solches Bekenntnis ist nicht bloß ein festredentaugliches Lippenbekenntnis, sondern ein Lebensbekenntnis im wahrsten Sinne dieses Wortes.
    Es soll hier aber nun nicht behauptet werden, dass nur das Christentum ernsthafte Antworten auf Sterben und Tod hat. In den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte hat die Nachdenklichkeit der Menschen diese Fragen immer wieder umkreist, die Religionen der Völker haben diesem Nachsinnen Ausdruck verliehen und unzähligen Menschen in ihrer letzten Stunde Halt gegeben. Nicht dass all diese Antworten gleich-gültig wären. Aber jahrhundertelang durchlebte Antworten haben ein anderes Gewicht als die modischen, bunten esoterischen Papierflugzeuge, die niemanden tragen können und sich höchstens für pubertären Schabernack eignen. Es gibt von den unterhaltsamen Todesfällen in James-Bond-Filmen bis zu der pseudowissenschaftlichen Wichtigtuerei moderner Plastikreligionen zu viel Geschwätz über den Tod. Auf diese Weise wird das ernsthafte Reden über den wirklichen Tod sorgfältig vermieden.
    Der verbreitete Unernst im Umgang mit dem Tod zeigt sich auch in der reißerischen Vermarktung von so genannten Nahtoderfahrungen. Gewiss mag es Menschen geben, die dem Tode ganz nahe waren und in diesem Zustand so außergewöhnliche Erlebnisse gehabt haben, dass das ihr Leben existenziell verändert hat. Solche Berichte sind mit allem Respekt als tiefes Lebenszeugnis ernst zu nehmen. Und gewiss gilt auch hier der Satz Shakespeares, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Doch man findet auch Bücher nach dem platten Motto: »Ich war tot und bin wieder am Leben, es war echt super!« Solche Storys arbeiten mit einem so offensichtlichen Missverständnis, dass man sich ernsthaft wundert, warum der Schwindel nicht längst ein für alle Mal aufgeflogen ist.
    Der ganze Trubel hat damit zu tun, dass man aus historischen Gründen laienhaft den Herzstillstand immer noch »klinischen Tod« nennt. Denn früher galt man als tot, wenn das Herz stillstand. Heute aber kann man den Menschen nach Herzstillstand wieder »reanimieren«, wie es ebenso missverständlich heißt, als könne man ihm sozusagen die Seele wieder einhauchen. In Wirklichkeit hat der »klinische Tod« mit dem Tod gar nichts zu tun, es handelt sich vielmehr

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