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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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Künstlichkeit in der Vermeidung des Themas, das hektische Getue und angestrengte Wegschauen, Weghören und Weglaufen fällt nicht nur auf, es ist erheblich aufwendiger als das Ausmeißeln des Namens »Geta« am Triumphbogen des Septimius Severus auf dem Forum Romanum.
    Und warum das Ganze? Warum läuft man eigentlich geradezu phobisch weg vor etwas, das man im Grunde gar nicht mehr kennt? Wer so fragt, weiß nichts von der Patho-Logik eines Phobikers. Ein Patient mit Fahrstuhlphobie verfügt in der Regel seit Jahren über keinerlei Erfahrung mehr mit dem Fahrstuhlfahren. Gerade das steigert aber die Angst ins geradezu Unermessliche. Die erfolgreichste Therapie bei derlei Störungen, die Verhaltenstherapie, konfrontiert den Patienten wieder mit dem gefürchteten Erlebnis. Das Fehlen der wirklichen Erfahrung mit dem so gefürchteten Sterben und dem Tod lässt auch hier die Angst ins Unendliche wachsen. Am Ende hat diese Angst sogar ihr Objekt vergessen, macht sich selbstständig und wird zum Lebensgefühl. Auf diese Weise ist die Angst vor dem Tod schließlich allgegenwärtig. Angststörungen nehmen enorm zu in den westlichen Gesellschaften, und das häufigste Gefühl bei Wirtschaftsbossen, denen man gemeinhin jede Möglichkeit zur Lebensfreude zutraut, ist nicht Glück, sondern Angst. Die erfolgreichste Therapie des Mittelalters gegen verleugnete Todesangst kann man auf Freskenzyklen des 14. Jahrhunderts in Italien studieren. Ein Einsiedler führt die mittelalterliche Schickeria zu offenen Särgen, wo sie fein säuberlich die verschiedenen Verwesungsstadien vorgeführt bekommt. Zugegeben, eine etwas heftige Konfrontationstechnik, aber unstreitig der neueste Stand der Psychotherapie. Nun hat man aber nicht immer frische Leichen zur Hand. Auch als Fresken zu Hause und sogar in modernen Kirchen dürfte der mittelalterliche Sinn für Drastik heute irritieren. Beim Tod ist eben eindeutig Schluss mit lustig.
    Wer so denkt, hat allerdings keine Ahnung von der Lust und keine Erfahrung mit dem Leben. In Pompeji hat man im örtlichen Bordell gemalte Totenschädel an den Wänden gefunden. In Mexiko schenkt man Totenschädel aus Marzipan zu Ostern, um die Festfreude zu erhöhen. Makaber? Irgendwie ja. Denn die »danses macabres« des 15. Jahrhunderts waren Totentänze, die an die Endlichkeit des Lebens erinnern sollten. Wer sagt aber, dass die Erinnerung an den unausweichlichen Tod unbedingt zu Depressionen und Lebensflucht führen muss? Die Pompejaner jedenfalls ließen sich in ihren Bordellen von Totenschädeln dazu auffordern, dass man jeden Tag zu maximalem Lustgewinn nutzen solle. Das war die heidnische Art, nützlich mit dem Tod umzugehen. Allerdings war das Bordell auch für die Pompejaner nicht gerade die Stätte, an der man ein lustvolles Leben dauerhaft verbringen wollte. Das pompejanische Bordell ist verhältnismäßig klein. Die Christen in Mexiko erinnern sich flächendeckend Jahr für Jahr beim Verzehr von wohlschmeckenden Totenschädeln daran, dass das Leben auf Erden zwar begrenzt, aber der Tod durch Jesus Christus besiegt ist. Von diesem Gefühl lebt die lateinamerikanische Lebensfreude. Lust lebt von Spannungen, Lebenslust auch. Die Vitalität Lateinamerikas speist sich vom Kontrast zwischen dem orgiastischen Karneval in Rio und der glutvollen Frömmigkeit am Heiligtum der Madonna von Guadalupe.
    Wer über Lebenslust schreibt und nichts zum Tod zu sagen hat, der hätte das Thema verfehlt. Denn ein verdrängter Tod wirft seinen dräuenden Schatten über das ganze Leben. Martin Heidegger hat die menschliche Existenz als ein »Sein zum Tode« charakterisiert, denn der Mensch ist das einzige Wesen, das sich seiner Endlichkeit voll bewusst ist. Und schon Sokrates stellte fest, das Sterben beginne mit der Geburt. So gesehen wäre das schicke Plädoyer für Euthanasie bei Beginn des Sterbeprozesses im Grunde ein Programm zur Menschheitsvernichtung. Die Allgegenwart von Sterben und Tod im Leben des Menschen hat eine logische Konsequenz: Könnte man Sterben und Tod nur negativ sehen, müsste man an dieser Stelle das Buch mit einem flammenden Appell für die Vergesslichkeit beenden. Verdrängt den Tod, ihr Glücklichen! Doch leider klappt das nicht. Verdrängung ist ein anstrengender Prozess, oft, wie wir sahen, mit pathologischen Folgen, und das oben beschriebene Gesundheitsgewusel ist ein Teil davon. Zudem läuft man durch Verdrängung nur der Wirklichkeit davon.
    Es hilft also alles nichts, man muss sich ihm

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