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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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schlicht um eine zeitweilige Unterbrechung der Körperdurchblutung, insbesondere der Hirndurchblutung. Das führt zu einem hirnorganischen Psychosyndrom, wie man es auch bei anderen zeitweiligen Hirnbeeinträchtigungen kennt, zum Beispiel vor epileptischen Anfällen. Dostojewski, der Epileptiker war, beschreibt solche Zustände, die er ähnlich lichtvoll, schwebend und euphorisch erlebte wie jene Buchautoren ihren Nahtod. Bewusstseinsveränderungen bei verminderter Hirndurchblutung sind für den Neurologen nicht irgendwie spektakulär. Mit dem Tod haben sie, bei allem Verständnis für die allgemeine Neugierde, wie es wohl nach dem Tod aussieht, leider absolut nichts zu tun.
    Die wohl naivste Form der Todesverdrängung ist das Gerede über Reinkarnation. Gewiss gibt es seriöse Religionen, wie zum Beispiel den Buddhismus, die daran glauben. Doch die Reinkarnation ist da keineswegs die spaßige Lösung des Todesproblems nach dem Motto: Es ist ja alles halb so schlimm, man kann ja immer wieder von vorne anfangen. Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahr’n ist alles weg. Gegenüber solchem schlichten Buddhismus aus der Dose empfinden die Völker, die seit Jahrtausenden diesem Glauben anhängen, vielmehr die Reinkarnation nicht als lustige Zugabe zu einem aufregenden Theaterstück, sondern als eine Last, von der man bald erlöst sein möchte. Der Glaube an die Reinkarnation, an ein »ew’ges Stirb und Werde«, führt zu der von Platon so gefürchteten Gleichgültigkeit jedes Moments. Oft ist ein dumpfer Fatalismus die Folge. Wer an Reinkarnation glaubt, für den ist der arme Sterbende in der Gosse von Kalkutta kein Aufruf zur Hilfe, sondern nur ein mehr oder weniger gleichgültiger Hinweis, dass einer von vielen Lebenskreisen sich dort schließt. Für die Christin Mutter Teresa war das anders. Für sie endete dort in allem Ernst ein für alle Mal die Lebenszeit eines unverwechselbaren, unendlich kostbaren Geschöpfs Gottes. Sie barg diesen Menschen, gab ihm eine letzte irdische Heimat in einem Hospiz, und den Kopf dieses sterbenden Menschen, den sie liebevoll im Sterben hielt, legte sie nicht auf das nächste Lebensgleis, sondern vertrauensvoll und endgültig zurück in die Hand Gottes.
    Sterben ist wie Geburt ein höchst persönlicher, existenzieller Vorgang. Er gehört zum Leben dazu und daher wollen Menschen mit Recht möglichst da sterben, wo sie gelebt haben: zu Hause im Kreise ihrer Angehörigen oder, wenn das organisatorisch nicht geht, vielleicht in einem Hospiz, in der letzten Herberge auf dem Weg in die Ewigkeit, wie der Gründer der Hospizbewegung in Deutschland, der Oratorianerpater Dr. Paul Türks, das nannte. Gute Hospize sind durchaus Orte der Lebenslust und sie unterstützen alles, wodurch man länger Spaß am Leben hat. Sicher wird auch weiterhin im Krankenhaus gestorben und bisweilen ist das zweifellos der richtige Ort, weil hier unersetzliche Hilfen zur Verfügung stehen. Auch bei diesem Thema ist jede Einseitigkeit schädlich. Dennoch sahen wir schon, dass das Sterben im Krankenhaus keine Heimat hat. Vor allem bietet es viele hoch professionalisierte Möglichkeiten, Sterben und Tod zu verdrängen: »Sollten wir nicht doch noch einmal eine Untersuchung machen … Die Laborwerte sind besser geworden … Es wird schon werden …« Bei den meisten von uns wird wohl sogar am Tag vor unserem Tod noch ein EKG abgeleitet und Blut abgenommen. Dennoch werden wir sterben.
    Man hat das Sterben als die wichtigste Phase im Leben bezeichnet. Das mag jeder halten, wie er will. Eines ist aber sicher: Wem egal ist, wie er stirbt, kann jedenfalls kein Experte für Lebenslust sein und vor allem nicht dafür, wie man länger Spaß am Leben hat. Es wäre schon nicht so schlecht, wenn man am Tag vor seinem Tod noch ein Apfelbäumchen pflanzen könnte. Sollte man aber die Kräfte nicht mehr haben oder Gartenarbeit immer schon gehasst haben, dann reicht es ja vielleicht, sich am Anblick eines solchen Bäumchens in seinem »letzten Stündlein« zu erfreuen. Luther hatte Recht.
    III. Am Ende der Grenzen oder wie man unvermeidlich glücklich wird
    Das Ergebnis unserer Grenzgänge für das Projekt »Lebenslust« ist somit durchaus erfreulich. Die Einschränkung von möglicher Lebenslust auf 9,82% der Lebenszeit ist gesprengt. An den Grenzen unserer Existenz herrscht nicht dunkle Lustlosigkeit, ganz im Gegenteil. Und so bedeutet Lebenskunst, Behinderung, Krankheit, Schmerzen, Leiden, Alter und Sterbephase in einem anderen

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