Lebensversicherung (German Edition)
starres Kausalitätsprinzip lehnte er ab.
- Das Schicksal, Dr. Banks, ist etwas für religiöse Menschen.
Für Menschen, die keine Antworten geben können. Ein Ort, auf den sie sich in
ihrer Hilflosigkeit zurückziehen können. Schicksal oder Kismet. Zufall oder
Berechnung. Wir berechnen den Zufall, wir geben Antworten, wir entscheiden, was
Schicksal ist, wen es erreicht, wen nicht. Natürlich führt das den Begriff ad
absurdum.
Dr. Zacharias zog die Oberlippe hoch und sog die Luft
vernehmlich ein.
- Politik, Dr. Banks, ist die Kunst, das Schicksal zu lenken,
zu bestimmen. Politik hat ein Ziel: Macht zu konzentrieren, um Macht auszuüben.
Macht lässt den Zufall nicht zu, sie eliminiert ihn. Deshalb lassen wir das
Schicksal in den Händen der Kirchen. Gott aber mag keine Zufälle. Wie Gott
nehmen wir das Schicksal in unsere Hände. Wie Gott es tun sollte, tun wir es
für uns.
Joseph war sprachlos. Warum hatte er nie darüber nachgedacht,
weshalb dieses Institut überhaupt existiert?
Dr. Zacharias zeigte auf den Computer.
- Nehmen Sie Ihre Daten. Sie haben Macht, Josep. Sie
beeinflussen das Schicksal, Sie schließen den Zufall aus. Ihre Aufgabe ist
politisch, sehen Sie das?
Joseph nickte.
- Wenn sie so wollen, Dr. Zacharias. Allerdings, bislang habe
ich Politik nicht als Zweig der Medizin verstanden. O.k., per Definition ist
Politik die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten. Sie haben recht, wir
helfen dieser Leitung zu überleben, soweit wir können, wir machen also Politik.
Joseph lachte, denn er konnte seine Argumentation nicht recht
ernst nehmen.
Dr. Zacharias schaute ihn fest an. Er nahm das ernst.
Josephs Mundwinkel zogen sich zusammen.
- Exakt. Wir machen Politik. Das mussten Sie lernen .
Dr. Zacharias setzte sich auf einen der Laborstühle. Er ließ
sich Zeit beim Anzünden seiner Pfeife.
Joseph war für die Pause dankbar. Zacharias steckte das
Streichholz umständlich in die Tasche.
- Was machen Ihre Analysen, Joe? Haben sie ein Herz für unseren
Präsidenten gefunden?
Dr. Zacharias gab sich jetzt jovial.
- Sie wissen, drei Alternativen. Keine optimal. Das Herz des
Chinesen ist laut der Analyse am vielversprechendsten.
Joseph stutzte bei seinem Gedanken. Warum ordnete er das Herz
einem Chinesen zu? Ach ja, Dr. Xiu Jang.
- Chinese?
Dr. Zacharias verzog das Gesicht.
- Können Sie sich unseren Präsidenten mit einer chinesischen
Pumpe vorstellen? Der steht auf und spricht am Ende noch Mandarin, was?
Joseph hätte seinem Chef diesen Humor nicht zugetraut.
- Suchen Sie weiter, vielleicht finden Sie neue Daten.
Amerikanische, Banks, das Herz muss amerikanisch schlagen.
Dr. Zacharias stand auf und steckte seine Pfeife in die
Tasche seines Kittels.
- Ich bin sicher, Sie finden es noch.
Aber ja, wir nehmen das Schicksal in unsere Hand und spielen
Gott.
Fast hätte Joseph das laut gesagt.
Meine Güte. Politik! Erst Burger, dann Zacharias. Und Von
Berg irgendwie dazwischen. Als Intrigant oder Schnüffler? Oder vielleicht war
er nur Opportunist? Joseph wollte in Zukunft besser auf ihn achten.
Kurz überflog er noch einmal die Analysen vom Morgen. Mit
einem Kopfschütteln legte er sie zur Seite. Nochmals holte er sich die
Patientendaten des Präsidenten vor.
Das Programm war perfekt. Potentielle Spenderorgane wurden
landesweit gesammelt, katalogisiert und in seiner Zentraldatei registriert, Zu-
und Abgänge laufend aktualisiert. Joseph hatte sein Programm so ausgelegt, dass
automatisch ein verfügbares Organ aus der Zentraldatei einem Patienten
zugeordnet werden konnte.
Besonders stolz war er darauf, dass er Schnelligkeit und
Effektivität des Zugriffs verbessert hatte. Stand ein Organ neu zur Verfügung,
dann wurden die immunologischen Daten des Spenders automatisch mit denen des
Patienten verglichen. Durch Eingabe der prozentualen Übereinstimmung konnte er
Brauchbares von Unbrauchbarem selektieren.
Heute Morgen hatte er seine Suche auf 90% Übereinstimmung
beschränkt, über 90% fand er keinen Eintrag.
Versuchsweise gab er jetzt als Selektionskriterium 99% ein
und stellte die Beziehung zum Präsidenten her.
Treffer!
Nach einem kurzen Zeitraum, den das Programm zur Berechnung
der Übereinstimmung der immunologischen Daten benötigte, erschienen auf dem
Bildschirm Angaben über die Konstitution des Organs.
Joseph rieb sich die Augen. Normalerweise stand hinter einem
möglichen Transplantat mortuus oder komatös , bereits tot oder
sterbend.
Auf seinem Bildschirm stand
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