Lebensversicherung (German Edition)
sich das Essen vor, welches die Gefangenen gleich
vorgesetzt bekommen würden. Ihm wurde schlecht.
- Weißt du, was das Schönste in Angola war? Das Durchsuchen
der Besucher. Sie mussten alles auf den Tisch legen. Das Abtasten, ha,
Leibesvisitation. Frauen machten das bei Frauen, aber wir konnten zugucken.
Alle Körperöffnungen. Konnten ja was versteckt haben. Zuerst beschnüffeln sie
unsere Hunde, und wenn die meinen, dass da was ist, dann –
Carl rieb sich seine fetten Hände.
Jeff stellte die Papptasse zu schnell ab.
Wieder lief die braune Brühe über den Tisch.
Diesmal wischte er sie nicht weg. Sie blieb.
Er machte, dass er aus dem Raum kam.
- Warte auf mich rief Carl ihm nach.
12.
Karl hatte den Sommer auf seinem Schiff verbracht. Obwohl er
nicht einmal seinen Platz am Steg verlassen hatte, war es ihm nie langweilig
geworden. Mit dem Auto war er das eine oder andere Mal ins Hinterland gefahren,
um zu malen. Besonders liebte er die Appalachen und den Shenandoah National
Park, oben in Virginia. Hier wollte er mit Emmi wandern, die in ein paar Tagen
kommen wollte.
Auch mit dem Dinghi hatte er einige Fahrten unternommen.
Einmal war er sogar drei Tage weggeblieben. Er hatte sein Zelt mitgenommen und
am Strand geschlafen.
Die übrige Zeit verbrachte er mit Arbeiten am Schiff.
Jetzt war es Oktober, und Gott sei Dank hatte keiner der diesjährigen
Wirbelstürme die Küste allzu arg getroffen. Aber das Jahr war noch nicht um,
und die Hurrikanzeit noch lange nicht vorüber.
Die letzten Tage hatte Karl damit verbracht, die Lady Ann
winterfest zu machen und dafür zu sorgen, dass in seiner Abwesenheit kein Sturm
ihr etwas anhaben konnte. Die Masonboro Boatyard war ein verhältnismäßig
sicherer Platz, obwohl sie gelegentlich schon durch die Unwetter gelitten
hatte.
Aber Karl ließ sich nicht aus der Ruhe seines beschaulichen
Daseins bringen. Für ihn zählte jetzt nur eins: Emmi kam!
Und so hatte er sich heute Morgen auf den Weg gemacht. Er
wollte die ganze Strecke bis hinauf nach Washington in einem Rutsch fahren.
Deshalb nahm er die Interstate 40 bis zu ihrer Kreuzung mit der Interstate 95,
die ihn direkt in die Hauptstadt brachte. Bei Richmond hatte er sich noch das
Schlachtfeld angesehen, wo sie sich im Bürgerkrieg die Köpfe gegenseitig
eingeschlagen hatten, und dann unterwegs einen Big Mac gegessen.
Er aß das Zeug gern, besonders, wenn ihm niemand dabei
zuguckte.
Jetzt war er in Wheaton und stand mit seinem Wagen vor
Josephs Haus. Sie hatten sich lange nicht gesehen, und Karl freute sich auf die
Überraschung, die er ihm und Jean mit seinem unangemeldeten Auftauchen bereiten
würde.
Mit von der Fahrt noch steifen Beinen stakste er die Auffahrt
hinauf.
Wohnt schön hier, dachte er und drückte auf die Klingel.
- Jean?
- Karl? Mein Gott, Karl.
Jean hatte geweint.
- Joe? Joseph ist nicht da, Karl. Er ist – er ist tot.
Wir haben ihn begraben, gestern.
Jean erzählte ihm, was in den letzten Tagen geschehen war.
Karl hatte es noch nie geschafft, in einer solchen Situation richtig zu
reagieren. Er hätte Jean in den Arm nehmen sollen, sie trösten. Stattdessen
konnte er sich nur hinsetzen und zuhören. Ihm fehlten einfach die richtigen
Worte dafür.
- Joseph ist an einem Herzinfarkt gestorben. In seinem Labor.
Er war allein, und als man ihn fand, war es schon zu spät. Sie hätten alles
versucht, sagen sie, aber es war umsonst. Karl, wir hatten noch Streit am Abend.
Weil er zu viel arbeitete. Ich war sauer, weil er nur an seine Arbeit dachte.
Früher ist er nicht so gewesen. Er hatte Sorgen. Irgendwas war im Labor
passiert. Er sagte mir nichts und las die ganze Nacht.
Jean schluchzte.
- Am Morgen. Ich hab ihm keinen Kaffee gemacht. Ich blieb im
Bett. Wir haben uns nicht voneinander verabschiedet. Und jetzt –
Karl nahm nun doch ihre Hände und hielt sie fest.
- Jean, mach´ dir keine Vorwürfe.
- Doch, Karl, ich hab´ ihm nicht zugehört. Ich bin ins Bett
gegangen, als er mich vielleicht brauchte. Sie sagen, er hätte seine Arbeit so
gut gemacht. Gerade an dem Tag. Sie sagen, sie hätten nichts gemerkt. Von Berg,
sein Kollege, sagt, sie wären den ganzen Tag zusammen gewesen. Nichts gemerkt -
Jean stand auf.
- Bleibst du hier heute Nacht, bitte?
- Natürlich. Gern. Morgen kommt Emmi. Wir wollen zusammen
Urlaub machen. Wandern, du weißt schon.
- Ja, ihr zwei. Vater und Tochter. Ich beneide euch.
Jean lächelte jetzt.
- Ich mach´ uns einen Kaffee, okay?
Karl
Weitere Kostenlose Bücher