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Lebensversicherung (German Edition)

Lebensversicherung (German Edition)

Titel: Lebensversicherung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schnare
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gewesen, wenn gerade diese Besucher abwiesen,
die unkorrekt gekleidet waren. Angeblich!
    It´s a rule ! Vorschrift. Das sagten sie gern, und
fühlten dabei ihre kleine Macht. Niemand kann so stur sein wie manche seiner
Landsleute. Jeff wusste das. Wenn sie nicht wollen, hören sie nicht zu.
     
    Vor Jahren fiel noch jeder zehnte Bewerber durch. Heute lehnen
sie nur noch ein Prozent ab. Man brauchte Gefängnispersonal und war sogar so weit
gegangen, Teenager, Hausfrauen und Rentner in Teilzeitjobs anzustellen. Nur den
Führerschein musste man geschafft haben und nicht vorbestraft sein.
    Das war die Voraussetzung.
    Dann darf man Menschen bis zu ihrem Tod befehligen.
    Jeff kannte "sein" Personal. Er hatte überall, in
jeder Abteilung, gearbeitet. Er hatte beobachtet, wie regelrechte Würmer zu
machtbesessenen Schlangen heranwuchsen. Wie Frauen, die Männer hassten, ihre
Arbeit genossen.
    Viele machten besonders gern Dienst, wenn geduscht wurde,
oder bei Leibesvisitationen.
    Auch verhinderte Polizisten, die durch die Prüfung gefallen
waren, hatte er gesehen. Die waren besonders hart.
     
    Im Trakt stank es immer nach Schweiß und Urin. Das verhindert
Mitleid.
     
    Nein, Jeff würde nie Direktor werden wollen. Er würde sich
auch nie wieder für seinen Job bewerben.
    Es waren zu viele geworden. 15.000 Häftlinge saßen jetzt in
den Gefängnissen in Huntsville. 11.000 Bewacher teilten sich die Arbeit, und es
würden mehr werden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis alle Gefängnisse
privatisiert sein würden, und nur noch die Kosten die Haftbedingungen bestimmen
würden.
    Alles musste sich rechnen, und die Hinrichtungen würden sich
auch weiterhin bezahlt machen - ja, damit konnte man Gewinn erzielen.
    In Ellis I saßen jetzt über 400 und warteten auf den Tod.
    Jeff wusste das. Obwohl er hier arbeitete, war er ja nicht
dumm. Aber vielleicht war das auch sein Problem.
    Nicht dumm genug zu sein?
    Jeff hatte sich diese Frage ernsthaft gestellt. War er nicht
dumm genug?
    Doch - er hatte sich die Frage mit ja beantwortet - er war
dumm genug. Aber er war auch schon zu alt, um neu anzufangen. Hier hatte er
seine Freunde – natürlich nicht Carl - und Texas war ein schönes Land. Wirklich!
     
    Jeff sah Carl an, der auf seinem Stuhl döste. Gott sei Dank,
heute keine Hinrichtung. Erst in sechs Tagen wieder. Dreifacher Mörder.
Todesspritze. Natürlich, was sonst?
    Noch fünf Minuten. Essenausgabe. Chowtime . Es war drei
Uhr nachmittags und es gab Abendessen. Zum Frühstück, um drei Uhr nachts, würde
seine Schicht längst zu Ende sein. Mittagessen gab´s immer um 10 Uhr morgens.
Naja, Zeit spielt hier keine Rolle. Oder doch? Jeff sah die Tafel mit den
Exekutionsnummern vor sich. Jeder konnte sie im Trakt sehen.
    Doch, Zeit spielte eine Rolle.
    Jeff hatte Schwester Prejeans Buch gelesen: Dead Man Walking .
    Pat sagte kurz vor seiner Hinrichtung: "Seht ihr, wie
die Zeit rast?" Jeff erinnerte sich jetzt daran.
    Prejean war geistlicher Beistand
von mehreren Gefangenen in Angola gewesen, dort, wo auch Carl herkam. Jeff
schüttelte sich.
    Okay, gleich raus aus dem Tageslicht, hinein ins fahle Neon.
Kein Holz mehr oder Stein, dafür Beton und Stahl.
    Himmelblau hatten sie die Stäbe gestrichen. Dahinter die
Gefangenen. Alles offen in Death Row . Keine Wände. Einige werden gerade
auf dem Klo sitzen. Nichts ist privat. Es wird alles überwacht. Schließlich
muss der Staat ja verhindern, dass sich der Gefangene das letzte nimmt, was ihm
gehört. Sein Leben.
    Sein Leben! Das gehörte ihm schon lange nicht mehr. Nicht
hier im Trakt.
    Gleich würde er schweißnass sein, denn da drinnen konnten
über 40 Grad sein. Zu viele Räume. Die Luft kann nicht zirkulieren.
    Schweiß und Pisse. Gut, dass sich die Nase an alles gewöhnt.
Mit den Ohren ist´s da schon schwieriger. An den Krach gewöhnte man sich nie.
     
    - Sag mal, Carl, waren bei euch in Angola die Gitter auch
himmelblau gestrichen?
    Carl schreckte hoch. Zwar sah man davon nicht viel, aber ein
Zittern ging doch durch seine Wampe.
    - Ist es schon Zeit?
    Er sah nach der Uhr.
    - Nope. Bei uns sind sie grün. Alles ist grün. Auch das
Licht. Grünlich-weiß.
    Nur die Wärter sind blau. Ich meine, die Uniformen.
    Carl lachte über seinen Witz. Sein Bauch machte die Bewegung
mit.
    - Noch Zeit für ´nen Kaffee?
    Jeff holte diesmal die Tassen. Er trank, obwohl es wie der
letzte Aufguss schmeckte. Er dachte: Hinrichten können wir perfekt, aber Kaffee
kriegen wir nicht hin.
    Er stellte

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