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Lebensversicherung (German Edition)

Lebensversicherung (German Edition)

Titel: Lebensversicherung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schnare
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Schwierigkeiten, seine dicken Finger aus den Papphenkeln
herauszuziehen. Kaffee schwappte auf Jeffs Zeitung.
    - Verdammt.
    Jeff zog den Huntsville Item zurück, doch die braune
Brühe hatte das Papier bereits durchweicht.
    - Tut mir leid. Steht was über die Tucker drin?
     Carl setzte sich hin und wischte sich die Finger in sein
Taschentuch.
    - Wie immer. Ein paar Worte. Ist doch hier nichts Besonderes.
    Jeff hatte die letzte Seite des Lokalblattes aufgeschlagen.
    - Mann, da waren bestimmt 500 Presseleute und 30
Übertragungswagen vom Fernsehen sollen unten gestanden haben .
    Carl schien fast stolz zu sein.
    - Haben in die ganze Welt übertragen. Ein Rummel um das Weib.
    Carl schüttelte den Kopf.
    - Bei uns in Angola gab´s nicht so viel Theater.
    Jeff versuchte, der braunen Brühe Herr zu werden. Er schob
sie mit der Handkante vom Tisch.
    - Na, hör´ mal. Karla war immerhin die erste Frau seit 130
Jahren, die wir hinrichteten. Unser Sweetheart. Die hat´s verstanden. Machte
auf fromm, auf Religion. Als ob das was nützt. Im Gegenteil, Fromme richten wir
besonders gern hin. Wie Schafe kann man sie zur Schlachtbank führen. Sie
glauben, ihr Leiden ist gottgewollt. Weißt du, was unser Pfarrer sagt? Nichts
schafft besser gottgefällige, reuige Sünder als ein unerbittlich näher
rückender Todestermin. Karla hat das nie verstanden. Sie war der Hit für alle
Fernsehsender. Sie betete hier, sie betete dort.
    Jeff zeigte mit dem Finger auf eine Zeile in der Zeitung.
    - Hier, ihre letzten Worte: `In deine Hände begebe ich mich,
o Herr´.  Sie soll mit weit offenen Augen gelächelt haben.
    - Bei uns in Angola hat niemand gelächelt.
    Carl hatte, bevor er nach Huntsville kam, im Staatsgefängnis
von Louisiana Dienst getan. Er gehörte dort zum Anschnallteam, welches den
Verurteilten auf den elektrischen Stuhl brachte.
    - Oder wir haben es nie gesehen. Wie auch? Mit der Maske
haben wir sein Gesicht verdeckt und den Kiefer festgeschnallt.
    Carl griff sich mit der Hand unter sein Kinn.
    - So etwa. Kinnriemen. Damit er nichts mehr sagen kann. Oder
schreien. Mann, stell´ dir vor, die Zeugen könnten ihm ins Gesicht sehen. Wie
die Augen ´rausquellen und das Blut aus der Nase spritzt. Früher brannten die
Haare. Heute rasieren wir alles Fell ab, auch die Augenbrauen.
    Carl streckte die Hände mit ausgespreizten Fingern über den
Kopf.
    - Zischschsch. So etwa. Dabei wollen sie ihn braten sehen und
rauchen. Die Angehörigen der Opfer, meine ich.
     
    Jeff zerknüllte seine Zeitung. Karla war erledigt.
    - Da war es gestern doch anders, nicht? Sauber, was?
    Carl nahm die Hände runter.
    - Langweilig war´s. Das bisschen Luftschnappen. Mit der
Spritze tut doch nichts mehr weh. Was haben wir denn davon? Da lobe ich mir
doch den guten alten Stuhl. Old Sparky, was? Der tut seine Arbeit, und es ist kein Vergnügen, wenn
sie dir darauf deinen Arsch rösten. Bei manchen hat´s richtig lange gedauert.
Einmal haben sie einen nach zwei Stromstößen noch nicht tot gehabt. Er rief:
Hört auf, ich brauche Luft. Und dann haben sie ihn heruntergenommen und ein
paar Monate später gebraten. Das ist Rache, Junge, wie sie sein soll.
    Carl wurde lebhaft.
    - Ha, und damals Robbie Williams! Wollten um Mitternacht
seine Seele gen Himmel schicken. Ging schon auf den Stuhl zu. Dann kam die
Nachricht. Das Telefon vom Gouverneur. Du weißt schon. Es gab eine Verzögerung,
irgendwelche juristischen Fragen mussten noch geklärt werden.
    Hmm, brachten ihn in die Zelle zurück und holten ihn eine
Stunde später wieder heraus.
    Carl leckte sich mit der Zunge die Oberlippe, ließ sie dort
ruhen –
    - Der war fertig, sag´ ich dir.
    Jeff sah Carl an. Da haben wir ja den Richtigen bekommen!
     
    Jeff machte seine Arbeit, und er tat, was man ihm sagte. Aber
er dachte noch, und das Ding mit der Rache war nie sein Fall gewesen.
    Gegen die Todesstrafe war er nie gewesen. Er fand sie in
Ordnung. Er war zuverlässig, nicht verheiratet und tat seinen Dienst seit
vielen Jahren in den Gefängnissen von Huntsville. Er hatte sich hochgearbeitet.
Sozusagen.
    Heute gehörte er zum taktischen Team. Als Hilfshenker hatte
er sich nie bezeichnet, obwohl er das ja war. Nein, er wollte sich nichts
vormachen.
    Jeff war immer dabei, wenn die Venen des Hinzurichtenden
untersucht wurden. Seit ´96 machte man das vorher. Denn damals hatten sie in
Indiana fast eine Stunde gebraucht, um brauchbare Venen zu finden. Hatten die
Nadeln nicht ins Fleisch bekommen. Schließlich würgten sie

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