Lebensversicherung (German Edition)
in den Arm
genommen und gedrückt und versprochen, in Kontakt zu bleiben.
Er trat von einem Bein auf das andere. Emmis Flugzeug war
gelandet, und gleich würde sie vor ihm stehen.
Sie hatten sich das letzte Mal vor zehn Monaten gesehen, als
Karl über Weihnachten zu Hause war. Danach war er direkt nach China geflogen.
Unwillkürlich griff er nach seinem Brustbeutel, den er auf
Reisen immer um den Hals trug. Josephs Diskette steckte darin.
Karl schluckte. Wo hatte er denn gestern seine Gedanken
gehabt? Mit einem Mal wurde es ihm klar. Er stellte die Beziehung her zwischen
dem, was er in China gesehen hatte und dem, was Joseph beschrieb. Manchmal war
er wohl ein bisschen langsam, was?
Karl wurde aus seinen Gedanken gerissen. Da kam Emmi. Sie hatte
sich kaum verändert, nur, sie war noch hübscher geworden. Gelegentlich bereute
er seinen Wandertrieb. Warum konnte er nicht mit dem Arsch zu Hause bleiben und
Familienvater spielen?
- Hi, Paps.
Emmi fiel ihm um den Hals und Karl war glücklich.
- Hallo, mein Schatz, hast du die Wanderschuhe eingepackt?
Karl drückte sie an sich. Ein bisschen Eifersucht ging ihm
durch den Bauch. Er stellte sich vor, dass es andere gab, die sie mehr drückten
als er.
- Klar! Wo steht dein Auto? Lass´ uns keine Zeit verlieren.
Auf dem Mathews Arm Campground hatten sie ihr Zelt aufgebaut.
Jetzt saßen sie in ihren Campingstühlen. Emmi hatte sich eine Decke umgewickelt
und hörte zu, was Karl von seinen Erlebnissen erzählte. Es wurde schon ein bisschen
kühl abends, aber die Oktobersonne konnte den Tag noch herrlich aufwärmen. Vor
ihnen brannte ein kleines Feuerchen, dem sie ihre Füße entgegenstreckten.
Für die nächsten Tage war Indianersommerwetter gemeldet.
- Aufstehen! We´re burning daylight!
Karl hatte das aus seinem Lieblingswestern. Red River .
Die Cowboys mussten immer im Dunkeln aufstehen, das Tageslicht war zum Arbeiten
da, die Nacht zum Schlafen.
Allerdings nahm er das nicht so genau. Der Spruch kam immer,
auch wenn schon die Sonne schien.
Als Emmi aus ihrem Schlafsack kroch, brutzelten die
Speckscheiben in der Pfanne. Karl hatte Biskuits angewärmt und in ein Tuch
geschlagen. Er reichte ihr die Tasse.
- Ist nur Neskaffee. Wie hast du geschlafen?
- Herrlich. Was für ein Tag!
Emmi schnappte sich ihren Beutel und ging zum Waschraum. Als
sie zurückkam, frühstückten sie.
Für heute hatten sie sich vorgenommen, ein Stück des
Appalachian Trails zu wandern. Sie ließen sich mit dem Shuttle bis zum Beahms
Gap mitnehmen. Von hier aus wollten sie zurück zum Zeltplatz wandern.
Karl, mit seinem Gefühl für Farben, hatte alles geplant. Die
Sonne würde ihnen immer im Rücken stehen, sodass sie den Wald in seinem
Altweibersommerkleid den ganzen Tag genießen konnten.
Sie wanderten von Süd nach Nord. Rechts von ihnen lag die
Blue Ridge, und links, im Westen, hatten sie den herrlichen Ausblick in das
Shenandoah Tal.
Zu Mittag picknickten sie etwa auf halbem Wege. Mit Appetit
aßen sie die Hamburger, die Karl am Morgen zurechtgemacht hatte.
Emmi hatte noch den Mund voll.
- Ich liebe Hamburger! Weißt du warum? Weil man sie mit
beiden Händen essen kann und keine Tischmanieren braucht.
Karl lachte.
- Und man kann dabei noch reden. Sie reden immer beim Essen
hier.
Er war in Gedanken gewesen. Ich habe sie noch gar nicht nach
ihrem Freund gefragt. Hat selbst nichts gesagt. Vielleicht hat sie einen
anderen?
- Emmi?
Karl drehte sich um. Emmi war zurückgeblieben. Er setzte sich
und wartete. Wahrscheinlich hat sie ein Blümchen gefunden, dachte er. Emmi kann
sich stundenlang aufhalten, wenn ihr etwas gefällt.
Ihm wurde die Zeit zu lang. In drei, vier Stunden würde die
Sonne untergehen, und vor ihnen lagen noch gute fünf Kilometer.
Karl wollte nicht rufen. Er ging zurück. Vor ein paar Minuten
war er an einem offenen Aussichtspunkt vorbeigekommen. Hier hatten die
Granitfelsen einen Pflanzenwuchs verhindert.
Emmi war nicht zu sehen. Jetzt rief er doch.
- Emmi!
Karl trat an den Rand. Zehn Meter unter ihm lag sie.
- Emmi!
Karl brauchte lange, bis er einen Weg hinunter gefunden
hatte.
Man hatte sie ins Krankenhaus nach Bethesda geflogen. Mit
seinem Handy hatte er die 1-800-Nummer der Park Ranger angerufen. Sie schickten
einen Hubschrauber. Karl war mit dem Auto gefahren.
Als er sie fand, war sie bewusstlos gewesen. Sie lag mit dem
Rücken auf einem Fels und ihre Jacke war über der Brust aufgerissen. Sie musste
beim Sturz mit dem
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