lebt gefaehrlich
die wenigsten Leute schon im Alter von acht Jahren, aber im Schoß meiner Familie habe ich das früh begriffen. Beim Klettern habe ich Angst, das Boxen finde ich scheußlich und mit dem Fechtsport können Sie mich jagen. Auch in der Armee habe ich mich nicht wohl gefühlt und in Oxford bin ich geflogen.« Sein Gesicht erhellte sich. »Offen gesagt, hier gefällt es mir. Endlich schert sich kein Mensch darum, daß ich ein Ramsey bin, und Onkel Hu hat nichts für die Alpinistik übrig. Dazu läßt ihm sein komisches Unternehmen gar keine Zeit. Endlich scheine ich ein passendes Plätzchen gefunden zu haben, und jetzt zittere ich natürlich davor, daß ich mir diese Chance auch schon wieder verpatzt habe. Der Mißerfolg kann nämlich zur Gewohnheit ausarten.«
»Unsinn.«
»Aber Sie sehen doch selbst, was geschieht. Onkel Hu fährt für eine Woche mit seinem Filmvorführer nach Erzurum, und nachdem er mir die Arbeit vier Monate lang gezeigt hat, überläßt er mir eine Handvoll Filme. Übrigens der erste Auftrag, den er mir bisher gegeben hat, und schon verpatze ich ihm alles. Mit seinem armseligen Geschäft hält er sich selbst kaum über Wasser. Jetzt frage ich Sie, wie lange er sich meine sogenannte Mitarbeit leisten kann.«
Neugierig sah Mrs. Pollifax sich in dem kahlen Raum um. »Ist das hier die ganze Firma Ramsey?«
»Ja. Hauptsächlich führt Onkel Hu seine Filme in den Provinzen vor. Ab und zu kommt er zurück, um zu entwickeln und zu schneiden und seine Post abzuholen. Er hat einen Vertrag mit dem British Council. Im Winter stattet er seinen Lastwagen mit Ketten und einem Schneepflug aus und geht auf Tournee, wie er das nennt. Da führt er in den Dörfern türkische Filme und zwischendurch auch englische vor. In der Türkei gibt es Tausende winziger Dörfer. Für manche sind Onkel Hus Besuche der einzige Kontakt mit der Außenwelt, abgesehen vom fliegenden Lehrer. Seine größte Leidenschaft aber ist es, Filme über die Türkei herzustellen. Er ist ganz verliebt in dieses Land. Im Sommer stellt er dafür alles andere zurück und nimmt jeden Auftrag an, den er nur kriegen kann - Reisevorträge, Kulturfilme, Werbefilme, Kurzfilme, was sich eben so ergibt.«
»Und er arbeitet ganz allein!« rief Mrs. Pollifax erstaunt aus.
Colin lächelte spöttisch. »Für mehrere reicht der Verdienst nicht, aber er kommt durch. Sie sehen ja, daß er Leute wie mich einstellt, wenn es ihm Spaß macht. Außerdem helfen ihm im Sommer Studenten aus, und im Winter gibt es Mechaniker und arbeitslose Saisonarbeiter. Straff organisiert ist das Unternehmen zwar nicht, aber es klappt.«
»Und Ihre Angehörigen mögen ihn?«
Er rümpfte die Nase. »Alles ist relativ, nicht wahr? Früher mal war er Sir Hubert, mit sämtlichen Attributen, die man bei den Ramseys voraussetzt. Orden. Auszeichnungen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war er beladen damit und wurde von der Königin in den Ritterstand erhoben. Eines Tages nahm er dann seine sämtlichen Orden und warf sie auf den Müll, packte einen Rucksack und verließ England. Wegen einer Frau, behauptete meine Mutter. Nein, sie mögen ihn nicht, aber sie lassen ihn in Frieden.« Er seufzte.
»Meine Familie läßt sich schwer erklären. Es sind durchaus keine Ungeheuer, im Gegenteil, sie sind alle ganz großartig. Vital, ehrgeizig, unternehmungslustig, unkompliziert. Ich hätte keinerlei Schwierigkeiten, wenn... ja, wenn...«
»Wenn Sie ebenso vital, ehrgeizig, unternehmungslustig und unkompliziert wären«, sagte Mrs. Pollifax.
»Ja.« Er grinste sie anerkennend an. »Aber was führt Sie in die Türkei?«
Mrs. Pollifax entsann sich plötzlich, weshalb sie hier war, und jäher Schreck durchfuhr sie. »Wie spät ist es denn?« rief sie entsetzt. Sie sah auf ihre Uhr, aber die war stehengeblieben. »Haben Sie die genaue Zeit? Ich bin um acht Uhr in der Hotelhalle mit einer Dame verabredet.«
Sofort wurde Colin lebendig. »Ich bringe Sie im Jeep hin! Das ist das mindeste, was ich dafür tun kann, daß Sie mir Mias Grüße gebracht haben. Außerdem reißt es mich aus meiner Trübsinnigkeit.« Er blickte auf seine Uhr. »Es ist noch nicht ganz sieben - drei Minuten fehlen noch. Schade, daß Sie so wenig Zeit haben. Werden Sie mit Ihrer Freundin zu Abend essen?«
»Wie bitte?« fragte Mrs. Pollifax überrumpelt. »Ach, nein das heißt, ich würde sie natürlich gern zum Essen einladen, aber ich weiß nicht, ob sie Zeit hat. Ich habe ihr nur etwas zu übergeben...« Entsetzt brach sie ab. Wie hatte sie
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