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lebt gefaehrlich

lebt gefaehrlich

Titel: lebt gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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sich nur derart verplappern können!
Offenbar war sie bedeutend müder, als sie gedacht hatte.
Colin Ramsey lächelte. »Jetzt haben Sie genauso geredet, wie ich es manchmal tue, obwohl ich mir nicht erklären kann, weshalb mir das immer passiert. Sie haben gestottert.« »Ich bin müde.«
»Nein, Sie sind nervös.«
»Das werde ich allerdings sein, wenn ich mich verspäte«, sagte sie und hatte sich wieder in der Gewalt. »Wie lange fährt man bis zum Itep?«
»Sie wohnen im Itep, nicht im Hilton?« sagte er.
Schlagartig begriff Mrs. Pollifax, weshalb Colin ihr so sympathisch war, und sie bekam einen gelinden Schreck. Sie waren einander ähnlich. Beide hatten sie bescheiden im Schatten anspruchsvollerer Persönlichkeiten gelebt. Da sie gezwungen gewesen waren zurückzustehen, aber intelligent waren, hatten sie sich zu aufmerksamen Beobachtern entwickelt. Colins Fragen, die sie im umgekehrten Fall selbst auch gestellt hätte, verrieten ihr, daß er sich über die Wahl des Hotels Itep wunderte. Es wo llte nicht zu dem Bild passen, das er sich von ihr machte.
»Ja, im Itep«, sagte sie energisch.
Amüsiert sah er sie an. Dann stand er auf, spülte automatisch die beiden Gläser unter der Wasserleitung, als wäre er es gewöhnt, für sich selbst zu sorgen. »Sind Sie schon mal in einem Jeep gefahren?« fragte er sie auf dem Weg über den Hof.
»Noch nie.«
»Es ist etwas ungewohnt für Sie. Sie müssen sich nur gut festhalten«, erklärte er. »Und Ihren Hut auch.« Er warf einen flüchtigen Blick auf ihren Hut und lächelte verstohlen.
»Ja«, sagte Mrs. Pollifax. Offenbar nahm er an, daß er ihr eintöniges Dasein mit einem Abenteuer belebte.
»Trotzdem hoffe ich, daß Sie mit mir zu Abend essen werden. Darauf wollte ich nämlich hinaus«, gestand er. »Verdammt, seit drei Tagen esse ich jetzt allein, und wenn Sie nichts dagegen haben, dann warte ich ab, wie sich der Abend mit Ihrer Bekannten weiterentwickelt.« Sehnsüchtig setzte er hinzu: »Ich wollte, ich könnte Sie durch Istanbul führen. Bei Nacht ist es nämlich wunderschön. Die Gala ta-Brücke, der Mond über dem Goldenen Horn und die Sophienkirche sind ein Erlebnis. Wir könnten bei Pierre Loti essen und...«
Sein Eifer rührte sie. »Wir werden ja sehen, nicht wahr?« sagte sie freundlich.
»Ich parke vor Ihrem Hotel und werde bis viertel nach acht warten«, sagte er. »Das macht mir nichts aus. Ich sehe immer gern dem Treiben in den Straßen zu.« Er legte den Gang ein, und sie fuhren los. Hinter ihnen wirbelten dicke Staubwolken auf. Mrs. Pollifax war vollauf damit beschäftigt, ihren Hut festzuhalten. Zur Unterhaltung blieb keine Zeit mehr.
Um sieben Uhr fünfunddreißig betrat Mrs. Pollifax die Halle ihres Hotels. Colin suchte inzwischen nach einem geeigneten Parkplatz, wo er wie vereinbart warten wollte. Sie ging auf ihr Zimmer, wusch sich nochmals das Gesicht mit kaltem Wasser, nahm ›Vom Winde verweht ‹ aus ihrem Koffer und sperrte die Tür hinter sich ab.
Sie war jetzt hellwach. Sie war sich ihrer Mission als Kurier, als Geheimagentin bewußt und setzte eine gewichtige Miene auf. Jetzt erst fiel ihr ein, daß sie sich das Hotel hätte näher ansehen sollen. Ein gewie fter Agent hätte das getan. Entschlossen ging sie also nach oben statt nach unten - Fahrstuhl gab es keinen - und entdeckte, daß die dritte Etage die letzte war. Eine Eisentür führte aufs Dach. Sie probierte sie aus und sah sich das flache Dach an, nickte zustimmend und zog sich über die schmale Hintertreppe zurück. Auf Zehenspitzen schlich sie nach unten. Sie wollte nicht entdeckt werden und vielleicht hören müssen, daß diese Treppe dem Personal vorbehalten sei. Die Treppe endete in einem schäbigen Erdgeschoß mit drei Türen. Eine führte in die Halle, eine auf die Straße und die letzte in den Keller.
Mrs. Pollifax war sehr zufrieden, alles Wissenswerte ausgekundschaftet zu haben. Mit dem Buch in der Hand betrat sie die Halle und nahm genau zehn Minuten vor acht Uhr Platz.
Ein prächtiger, farbenfroher Perserteppich bedeckte den Fußboden der Halle. Antike Statuen und alte Ledersofas standen umher. Mrs. Pollifax hatte sich für das Sofa in der Nähe der Hintertreppe entschieden. Damit wich sie einem eventuellen Gästestrom zwischen dem Haupteingang und der breiteren Treppe aus und war gleichzeitig durch das einzige Fenster der Halle deutlich zu sehen. Es war wohl der auffallendste Platz überhaupt, fand sie, und legte sorgfältig ihr Buch zurecht, damit es ebenfalls

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