lebt gefaehrlich
gezeigt wurde - Gärten am Mittelmeer -, wollte sie für die kommende Woche noch eine Liste der benötigten Lebensmittel zusammenstellen. Sie griff nach Bleistift und Notizbuch und hatte eben begonnen, ernstlich nachzudenken, als das Telefon klingelte. Mit der Liste in der Hand ging sie ins Wohnzimmer und schrieb noch rasch Eier, Orangensaft dazu, ehe sie den Hörer abhob. »Hallo«, sagte sie zerstreut. Dabei fiel ihr plötzlich ein, daß sie für den Tee des Kunstvereins am nächsten Sonntag Kekse mitbringen wollte.
»Mrs. Pollifax?« meldete sich eine helle junge Stimme. »Mrs. Emily Pollifax?«
»Am Apparat«, sagte Mrs. Pollifax und schrieb fürsorglich Zucker, Vanille, Walnüsse auf.
»Augenblick bitte...«
Eine Männerstimme sagte: »Guten Tag, Mrs. Pollifax. Ich bin sehr froh, daß ich Sie erreiche.«
Mrs. Pollifax schnappte nach Luft, und die Spitze ihres Bleistiftes brach ab. Diese Stimme hatte sie sofort erkannt. Sie hatte nicht gedacht, sie jemals wieder zu hören. »Mr. Carstairs, das ist eine angenehme Überraschung!« rief sie erfreut.
»Danke. Wie geht es Ihnen denn immer? Gut, hoffe ich?«
»Ja, ausgezeichnet. Vielen Dank.«
»Schön. Darf ich Ihnen zwei Fragen stellen, die uns beiden kostbare Zeit ersparen?«
»Warum nicht?« antwortete Mrs. Pollifax. »Nur glaube ich, daß Sie bereits alles über mich wissen.«
»Irrtum«, sagte Carstairs liebenswürdig. »So weiß ich zum Beispiel nicht, ob Sie unverzüglich in der Lage - oder auch nur bereit wären, wieder mal einen Auftrag für mich durchzuführen.«
Mrs. Pollifax' Herz begann heftig zu klopfen. Blitzartige Entschlüsse waren niemals ihre Stärke gewesen. Aber wenn andererseits eine sofortige Entscheidung notwendig war, wollte sie nicht nein sagen. »Ja«, antwortete sie leichtsinnig und nahm sich vor, später gründlich nachzudenken.
»Fein«, sagte Carstairs. »Frage Nummer zwei: Könnten Sie sofort abreisen?«
»Sofort?« wiederholte Mrs. Pollifax, von seinem dringlichen Tonfall betroffen. »Sofort!« Bestimmt meinte er das nicht wörtlich.
»Ich kann Ihnen dreißig Minuten geben.«
»Um mich zu entscheiden?«
»Nein - um zu verreisen.«
Ungläubig sah Mrs. Pollifax ihre Einkaufsliste an. Dann wanderte ihr Blick zum ungewaschenen Geschirr auf dem Küchentisch. Das waren wenigstens greifbare Dinge, an die sie sich klammern konnte.
Und es würde mindestens zehn Minuten dauern, bis sie das Geschirr gespült hatte. »Aber wohin denn?« fragte sie atemlos. »Und für wie lange?«
»Betrachten wir die Sache mal anders«, sagte Carstairs geduldig.
Er schien einzusehen, daß niemand seine Zeiteinteilung plötzlich ändern konnte, ohne darüber zu erschrecken. »Haben Sie für die nächsten Tage - sagen wir bis zum nächsten Sonntag
- irgend etwas besonders Wichtiges vor?«
»Nur meine Karatestunden«, sagte Mrs. Pollifax. »Und natürlich muß ich heute in acht Tagen beim Kunstverein den Tee ausschenken.«
»Eine interessante Zusammenstellung«, bemerkte Carstairs trocken. »Sagten Sie Karate?«
»Ganz recht«, gab Mrs. Pollifax in jäh aufwallender Begeisterung zu. »Das macht mir ungeheuren Spaß, und Lorvale
- Polizeiinspektor a.D. Lorvale Brown - staunt selbst über meine Fortschritte.« Betroffen brach sie ab. »Aber was soll ich denn meinen Bekannten sagen? Wie soll ich meine überstürzte Abreise erklären?«
»Sie müssen eine Erkrankung Ihrer Schwiegertochter in Chicago vorschützen. Aber das besprechen wir später. Jedenfalls können Sie sich auf uns verlassen.«
Mrs. Pollifax holte tief Luft. »Ja, dann lege ich jetzt wohl besser auf und setze mich in Bewegung. «
»In genau zweiundzwanzig Minuten wird ein Polizeiwagen vor Ihrem Haus stehen. Wir haben den Anruf in dem Augenblick durchgegeben, als Sie ja sagten.«
»Wie geht es Bishop?« fragte Mrs. Pollifax gerührt.
»... und Sie packen inzwischen einen kleinen Koffer für eine mehrtägige Reise. Die genauen Instruktionen erhalten Sie binnen einer Stunde. Und jetzt beeilen Sie sich. In zwanzig Minuten müssen Sie bereit sein.«
»Ja«, keuchte Mrs. Pollifax. Strickkostüm, rosa Kleid, überschlug sich und ergänzte in Gedanken rasch: Zeitung und Milchzustellung abbestellen, Hauswart, Lorvale, Miß Hartshorne verständigen...
»Leben Sie wohl, Mrs. Pollifax«, sagte Carstairs.
Langsam legte Mrs. Pollifax den Hörer auf die Gabel. »Na so was!« sagte sie. Wie sich das Leben innerhalb von wenigen Minuten verändern konnte...
Ihr Blick fiel auf die Uhr. Rasch räumte sie den Mittagstisch ab.
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