Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 2 - Der Agent und die Söldnerin
Antlitz eines Mannes, der gern lachte und einem so komplexen Instrument wie der Omnichora mühelos unter die Haut gehende Melodien entlockte. Es war das Antlitz eines Mannes, den man gern zu seinen Bekannten zählte – ein Freund.
Ein Partner.
Sie legte sich aufs Bett und versuchte sich zu entspannen.
»Ein Scout ist kein Spion«, erklärte sie der Zimmerdecke in feierlichem Ernst. »Und Menschen sind keine Werkzeuge.«
Sie schloss die Augen. Scouts, wiederholte sie in Gedanken. Scouts sind fast schon so etwas wie Helden … Und er sagte, er sei ein Erstkontakt-Scout. Die Creme de la Creme, eine Elite für sich – Piloten, Forscher, Linguisten, Kulturanalytiker und Xenologen in einer Person. Sie sind hochintelligent, anpassungsfähig, unglaublich findig und einfallsreich. Die Zukunft einer ganzen Welt hing von der Einschätzung eines Scouts ab; er entschied, ob sie kolonisiert, für den Handel geöffnet oder unter Quarantäne gestellt würde.
Miri öffnete die Augen. »Scouts sind konstruktiv, sie bauen auf«, teilte sie der Zimmerdecke mit. »Spione sind destruktiv.«
Und dann das blöde Gefasel über Werkzeuge!
Sie rollte sich auf den Bauch, barg das Gesicht in der Mulde, die ihre verschränkten Arme bildeten, und erlebte im Geist noch einmal den Augenblick, als sie geglaubt hatte, er würde sie angreifen.
Bei allen Göttern, staunte sie, der Mann hat Reflexe! Suzuki und Jase hätten einen Jahressold inklusive Kampfzulage dafür gegeben, hätte nur ein Mitglied ihrer Truppe diese Behändigkeit besessen, auch ohne den brillanten Verstand, der diese Schnelligkeit kontrollierte.
Einmal angestoßen, wanderten ihre Gedanken in alle möglichen Richtungen. Sie fragte sich, warum er sich jedes Mal im letzten Moment zurückgehalten hatte. Sie wunderte sich, dass er ihr die gefährliche verborgene Klinge anvertraute … und warum er sie in dieser intimen Form ansprach … Und ihr schoss die Idee durch den Kopf, er könne tatsächlich verrückt sein.
Es erschien ihr sogar sehr wahrscheinlich.
Wenn man einem Irren begegnet, sagte sie sich, muss man schleunigst das Weite suchen.
Mitten auf dem Bett wälzte sie sich auf die Knie und spannte die Muskeln an, um auf den Fußboden zu springen. Es wird höchste Zeit, dass du von hier abhaust, Robertson. Diesen Typ kannst du nicht austricksen, dazu bist du nicht clever genug.
»Ich muss weg!«, schrie sie kurz darauf, als. sie immer noch auf dem Bett kniete. Stumm verwünschte sie Murph und das Geld, das er ihr schuldete. Sie verwünschte die Juntavas und deren blöde Vendetta. Vor allen Dingen verfluchte sie einen Satz, gesprochen in einem ihr fremden Idiom, das vielleicht die Muttersprache ihrer Vorfahrin war.
Vehement verwünschte sie den Mann, der ihr zweimal – nein viermal – das Leben gerettet hatte.
Du bist eine Närrin, Robertson, haderte sie mit sich. Du bist noch verrückter als dieser Val Con.
»Nun ja, ich sollte es als eine Art Job auffassen«, sagte sie laut und ließ die Schultern ein wenig hängen. »Das hält mich auf Trab.«
Sie spannte sich an, machte eine Rolle vorwärts und landete vor dem Bett auf den Füßen. Unterwegs zum Bad blieb sie kurz vor dem Schreibpult stehen und griff nach dem schmalen Holzstab. Sehr einfach zu verstecken … Sie dachte an ihre Heimat, Surebleak; dort hätte eine Waffe wie diese ihr mindestens ein Dutzend Mal gute Dienste geleistet. Ein Gesicht schob sich in ihre Erinnerung, eines, das sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, und ihre Hand zuckte – geräuschlos und zum Zustechen bereit fuhr die Klinge heraus.
»Ach, zur Hölle noch mal«, murmelte sie und klappte das Messer wieder zu, das sie mit ins Bad nahm.
Nach einer erfrischenden Dusche, mit feuchten Haaren und in einen Bademantel gewickelt, rief sie abermals den Katalog des stummen Dieners auf. Stirnrunzelnd betrachtete sie die erste Kollektion, versuchte festzustellen, was sich verändert hatte, und als ihr ein Licht aufging, hätte sie vor Überraschung und Belustigung beinahe laut gelacht.
Dieses Mal fehlten die Preisangaben.
Also gut, dachte sie und fing an zu suchen. Wenn er darauf besteht. Hoffentlich geht er bankrott.
Sie brauchte eine Weile, um sich zu vergegenwärtigen, dass sie nicht so sehr ihren eigenen Geschmack berücksichtigte, sondern überlegte, welche Kleidung ihm gefallen mochte, was sie anziehen sollte, um ihn empfänglich zu machen für ihr Angebot, in dieser Nacht das Bett mit ihr zu teilen.
»Er ist ja auch ein ausnehmend
Weitere Kostenlose Bücher