Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 2 - Der Agent und die Söldnerin
sich nicht.
Sie fluchte leise und hingebungsvoll; sie erkannte die Symptome eines Schockzustands, wie er mitunter nach einem Gefecht vorkam: Es handelte sich um eine hysterische Lähmung. Viel zu oft hatte sie Menschen mit einem Kriegstrauma erlebt, und sie wusste auch, wie man ihnen helfen konnte.
Manche Leute waren einfach zu kurieren, mitunter genügte es, wenn eine vertraute Stimme ihren Namen rief. Gelegentlich musste man jedoch drastischere Maßnahmen anwenden. Am besten funktionierte es, wenn man ihnen kurz einen physischen Schmerz zufügte.
Sie beugte sich über ihn und schrie ihm mit voller Lautstärke ins Gesicht: »Val Con!«
Nichts tat sich. Sie bemerkte nicht einmal eine Änderung in seinem Atemrhythmus.
Dann trat sie einen Schritt zurück und überlegte. Sie dachte nach, wie sie früher andere Leute aus einem Schockzustand gerissen hatte. Doch sie musste gut aufpassen, denn es war durchaus möglich, dass ein Patient, dem sie Schmerzen zufügte, plötzlich seine Reaktionen wiederfand und sich wehrte – zu ihrem Nachteil. Es wäre nicht ausgeschlossen, dass ihre Bemühungen, Val Con zu helfen, mit ihrem eigenen Tod endeten. Sie ging davon aus, dass er sich noch viel schneller erholen würde als die anderen Leute, die sie behandelt hatte.
Sie entschied sich für einen Tritt gegen seinen Schulter und hoffte, der Schwung würde sie aus seiner Reichweite tragen, ehe die Starre von ihm abfiel.
Doch zuvor rief sie noch einige Male seinen Namen und schüttelte ihn kräftig, nur für den Fall, dass die Götter es sich anders überlegt hatten und ihr plötzlich wohlgesonnen waren. Als aber nichts half, holte sie tief Luft und trat zu. Noch während ihr Fuß Val Cons Schulter berührte, wurde sie herumgewirbelt …
Der Hieb traf sie mit der Wucht eines Ochsenziemers; sie taumelte, und ihr linker Arm hing wie taub im Schultergelenk. Sie wich aus, als Val Con sich auf sie stürzte; doch er bekam sie zu fassen, hob sie hoch und schleuderte sie von sich weg. Mit diesem Zug hatte sie gerechnet, deshalb rollte sie sich ab, als sie auf dem Boden landete, wobei sie versuchte, den verletzten Arm zu schonen. Dennoch konnte sie es nicht verhindern, dass sie gegen die hintere Wand prallte; der Atem wurde ihr aus der Lunge gepresst, und sie gab einen erstickten Schrei von sich.
Wie aus weiter Ferne hörte sie einen Laut; es kam ihr vor, als riefe jemand ihren Namen.
Er ist erschöpft, schoss es ihr durch den Sinn. Ihm sind die Kräfte ausgegangen, deshalb bin ich überhaupt noch am Leben.
»Miri!«
Blinzelnd öffnete sie die Augen und brachte sich mühsam in eine sitzende Position, den Rücken gegen die Wand gestützt; ihr Arm war immer noch nicht zu gebrauchen und hing schlaff an der Seite herab. Dicht neben ihr kniete Val Con, und sein Gesicht wirkte wieder völlig normal.
»Es geht mir gut«, ächzte sie und wünschte sich, es wäre tatsächlich so.
Sein erschrockener Ausdruck verschwand, doch eine gewisse Spannung lag in seinem Blick. »Verzeih mir …« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf.
Sie setzte ein gequältes Grinsen auf, doch darauf reagierte er überhaupt nicht.
»Hey, jeder macht mal einen Fehler«, meinte sie. Sie setzte sich ein wenig bequemer hin und biss auf die Zähne, als das Gefühl in ihren Arm zurückkehrte. Rasch legte sie ihre gesunde Hand auf die schmerzende Schulter. »Bist du so freundlich und bringst mir ein Glas Wasser, Partner?«
Er stand langsam auf und entfernte sich. Sie lehnte den Kopf nach hinten, schloss die Augen und versuchte, aufgrund der Art der Schmerzen zu bestimmen, ob ihr Arm gebrochen war oder nicht.
Irgendein Instinkt warnte sie, und als sie die Augen wieder aufschlug, stellte sie fest, dass er wieder neben ihr kniete und ihr wortlos einen Becher entgegenhielt.
Das Wasser war kalt und rann frisch durch ihre Kehle, die sich wund anfühlte. Den leeren Becher stellte sie auf dem Boden ab. Als sie ihn dieses Mal angrinste, brauchte sie sich kaum noch zu verstellen. »Danke.«
Er gab keine Antwort; an seinen Augen sah sie, dass er immer noch ein wenig erschrocken war. »Miri, kannst du wieder meine Freundin sein?«
»Na ja«, entgegnete sie, behutsam die Schultern bewegend, »manchmal ist es nicht ganz einfach mit dir.«
Aber der Sinn für Humor war ihm offensichtlich vergangen. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Sie seufzte, hob den lädierten Arm an und bewegte probeweise die Finger. Wie es schien, war doch nichts gebrochen.
»Du hättest das Schiff ohne
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