Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Geburtstermin, kommt unsere Tochter zur Welt. Wir beide haben Tränen des Glücks in den Augen. Sie ist so niedlich. Und so unerwartet sauber. Sie hat schon richtig viele Haare auf dem Kopf. Noch nie zuvor habe ich ein solch engelsgleiches Wesen gesehen. Ich bin sofort verliebt. Während meine Funken der Liebe noch durch den Kreißsaal schwirren, hält mir die Hebamme eine Schere hin. Jetzt muss ich ran. Die Nabelschnur ist ein äußerst eigenartiges Ding. Sie sieht aus wie eine unendlich lange Spirelli-Nudel in bläulich-weißer Farbe. Das Durchschneiden bereitet mir keine Schwierigkeiten, auch wenn sich der Schnitt selbst anfühlt, als würde ich ein Stück Gartenschlauch zerschneiden. Jetzt bin ich also offiziell Papa. Ich kann mich kaum sattsehen an meinen beiden Mädels, die so entzückend, verkuschelt und erschöpft vor mir liegen. Ich will nichts anderes, als diesen Moment intensiv genießen. Deshalb beendet der glücklichste Mann der Welt diese Geschichte nur sanft mit dem Namen unseres Engels: Johanna.
SCHREIEN ODER NICHT SCHREIEN – DAS IST HIER DIE FRAGE
Irgendwie habe ich es mir einfacher vorgestellt, das Papa-Dasein. Es ist wohl so: Wenn man sich entscheidet, gemeinsam ein Baby zu bekommen, denkt man an die Vollkommenheit der Beziehung, an rosa Wölkchen, Kuschelstunden zu dritt, an das erste Wort (bestimmt »Papa!«), die ersten Schritte, an Friede, Freude und nicht zuletzt auch an Eierkuchen.
Doch statt Eierkuchen heißt es nun: Pustekuchen! Die romantischen Gedanken und Träume von den ersten Wochen und Monaten zu dritt entpuppen sich ruckzuck als Seifenblasen, die in Höchstgeschwindigkeit über meinem Kopf zerplatzen. Kein Wunder bei dem Lärm, den Klein Johanna stundenlang verursacht. Da zerplatzen nicht nur Seifenblasen, sondern ganze Heißluftballons. Das hat vorher keiner so deutlich gesagt. Und wenn, dann nur angedeutet und beschwichtigend heruntergespielt: »Das Geschrei dauert maximal drei Monate! Da könnt ihr eure Uhr nach stellen. Danach ist dann wirklich Ruhe.«
Nix drei Monate. Die sind seit einer Woche um. Insgesamt brummt mir der Schädel also schon seit vierzehn Wochen. Rund 100 Tage lang Babygeschrei – morgens, vormittags, mittags, nachmittags, abends, nachts … Und das in einer Lautstärke und Intensität, die mich in den Wahnsinn treibt. Ich habe das mal gegoogelt. Säuglinge können bis zu einer Lautstärke brüllen, die der eines Presslufthammers, einer Kettensäge oder eines Düsenjets gleichkommt: bis zu 120 Dezibel! Und dieser Jet donnert in nicht mal zehn Zentimeter Entfernung an meinem Ohr vorbei. Wobei »vorbei« ja super wäre. Denn hier fliegt nichts vorbei, sondern immer mitten rein in den Kopf. Nein, unser persönlicher Eurofighter donnert von einem Ohr zum anderen, hin und her – während der Flugzeugträger noch meilenweit entfernt ist.
Mein Nervenkostüm ist nur noch eine hauchdünne Klarsichtfolie. Ich habe den väterlichen Anteil der sogenannten Babyflitterwochen extra gleich im Anschluss an die Geburt genommen, um von Anfang an hautnah dabei zu sein und bloß nichts zu verpassen. Nun hat es den leichten Beigeschmack von Ernüchterung. Ganz schön anstrengend, so eine Papa-Elternzeit. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich liebe meine Tochter! Abgöttisch. Über alles! Aber im Augenblick eben ganz besonders, wenn sie schläft! Und wenn sie gestillt wird. Aber: Der dritte Zustand heißt Schreien! Und das aus für mich nicht nachvollziehbaren Anlässen. Denn welchen Grund soll es geben, wenn sie ausgeschlafen, satt und frisch gewickelt ist? Vielleicht denke ich da einfach zu rational und logisch. Babys sind nicht logisch. Leider gibt es für sie keine Bedienungsanleitungen. Johanna ist ein Einzelstück, das noch die Werkseinstellungen hat. Da müssen wir erst mal die ganzen Untermenüs durchforsten, um uns mit ihr vertraut zu machen. Leider ist es nicht so, dass wir sie justieren könnten. Nö, nö: SIE justiert UNS .
Sie liebt es beispielsweise, durch die Gegend getragen zu werden. Permanent. Immer aufrecht und stets in Bewegung. So laufen meine Frau und ich den ganzen Tag durch die Wohnung. Die Maus auf dem Arm und ständig mit schaukelnden Bewegungen. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich von einem Bein aufs andere wippe, auch wenn ich Johanna gar nicht auf dem Arm habe. So weit bin ich also schon von ihr programmiert worden. Sie muss sogar eine Fernbedienung haben. Selbst im Supermarkt an der Kasse mache ich mich regelmäßig zum Klops, wenn ich
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