Leerer Kuehlschrank volle Windeln
hatte, stellte die schrillste aller Fragen: »Ist es möglich, dass bei der Geburt jemand dabei ist?«, wandte sie sich an unsere Führungshebamme.
»Aber natürlich. Gern können der werdende Vater, die Eltern oder auch eine Freundin dabei sein«, lautete die logische Antwort.
»Na ja, ich würde gern meine Freundinnen dabei haben. Geht das auch?«, bohrte die junge Frau weiter nach.
»Selbstverständlich. Wie viele sind es denn?«, fragte die Hebamme zurück.
»Sieben.«
Sie wollte offensichtlich eine wortwörtliche »Geburtstagsparty« mitten im Kreißsaal veranstalten und kassierte die zu erwartende Antwort der Hebamme: »Nein, so geht das natürlich nicht. Für Sie wird es sehr anstrengend werden, und da rate ich Ihnen, sich auf maximal zwei Vertrauenspersonen zu beschränken. Außerdem brauchen wir Bewegungsfreiheit zum Arbeiten.«
Bei mir ging gleich das »Kopfkino« an. Ich stellte mir vor, wie die Mädels allesamt um das Entbindungsbett herumstehen und die Gebärende mit einem Sektglas in der Hand anfeuern und rhythmisch rufen: »Los, Susi, pressen! Pressen! Pressen! Pressen!« Sehr zum Leid meiner Frau, konnte ich mir einen kleinen Kommentar nicht verkneifen. »Wie wäre es denn mit einem Public Viewing für die Verwandtschaft?«
Irgendwie fand sie das nicht witzig. Ihr Gesichtsausdruck sah aus wie der von Angela Merkel nach dem Bekanntwerden der Wulff-Affäre. Alle anderen haben jedenfalls gelacht. Aber leider nur ganz kurz, denn einer der werdenden Mamas wurde von einer Sekunde auf die nächste schlecht. Die Hebamme erkannte das sofort, griff der Frau mit dem globusartigen Bauch unter die Arme, setzte sie auf einen Stuhl, flitzte ins Nachbarzimmer, organisierte einen Eimer, war rechtzeitig zurück – und schon nahm das kleine Übelkeitsdrama seinen Lauf.
Von der Superhebamme war ich spätestens nach dieser Rettungsaktion schwer begeistert. Am liebsten hätte ich ihr sofort den Recall-Zettel in die Hand gedrückt. Auch sonst gefiel es uns in der Klinik ziemlich gut. Die Hebamme legte sich ins Zeug, um uns für sich zu gewinnen. Sie präsentierte das neueste Know How der Geburtstechnik und einen gemütlichen Kreißsaal. Wenn man zu einem Kreißsaal überhaupt »gemütlich« sagen kann.
Und nun sind wir auf dem Weg dorthin. Christin sagt, die Abstände zwischen den Wehen werden deutlich kürzer und die damit verbundenen Schmerzen allmählich ihrem Namen gerecht. Unser Gespräch im Auto wird immer wieder unterbrochen, weil Christin die Luft anhalten muss. Genau um 4 Uhr öffnet sich die elektronische Schiebetür zur Geburtsstation. Wir »checken ein«, was so viel bedeutet, dass wir kurz sagen, wer wir sind und was wir wollen: Nämlich so schnell wie möglich in einen der Wohlfühl-Kreißsäle, damit unser Baby aus dem Bauch purzeln kann.
Die Aufnahmeprozedur geht fix über die Bühne, und wir kriegen einen Saal ganz für uns alleine. Um 4 Uhr 30 guckt sich eine uns noch unbekannte Hebamme meine Frau genauer an und bestätigt, dass wir auf dem besten Weg sind, in den nächsten Stunden Eltern zu werden. Aber wir sollen keinen Stress machen, denn es wird noch eine ganze Weile dauern. Stress machen wir nicht, wir haben ja auch nichts anderes vor im Moment.
Christin liegt im Bett, steht auf, stützt sich an der Fensterbank auf, legt sich wieder hin, steht wieder auf und läuft durchs Zimmer. Die Schmerzen werden stärker. Ich fühle mich ganz schön hilflos, denn mehr als nur da sein kann ich nicht. Ich reiche ihr im Minutentakt die Wasserflasche, weil sie viel trinken soll. Was dann passiert, lässt uns beiden gemeinschaftlich die Nackenhaare zu Berge stehen. Aus dem Nachbarkreißsaal hören wir eine Frau schreien, die »offenhörlich« gerade ein Kind zur Welt bringt. Sie schreit so, wie ich noch nie im Leben eine Frau schreien gehört habe. Immer wieder begleitet von einem gänsehauterzeugenden und markerschütternden: » NEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIN! «
Die DIN -Normen für die Schallisolierung wurden offenbar nicht ernst genommen. Da kriegt man ja einen Riesenschreck, wenn man noch nicht so weit ist. Christin und ich sehen uns an und hoffen, dass es bei uns nicht auch so schlimm wird.
Um es vorwegzunehmen: Es wurde nicht so schlimm. Überhaupt nicht. Ich bin so unglaublich stolz auf Christin. Sie wollte keine Schmerzmittel haben und war konzentriert, ruhig und willensstark bei der Sache. Eine richtige Lehrbuchgeburt.
Um 9 Uhr 19, also mit gerade mal neun Stunden Verspätung zum errechneten
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