Leerer Kuehlschrank volle Windeln
den ersten Monaten stressig. Johanna wird voll gestillt – und das bedeutet alle zwei bis zweieinhalb Stunden Körper, Geist und Brust auch nachts »hochfahren«, damit unser menschlicher USB-Stick ein Muttermilch-Update bekommen kann.
Davon bekomme ich meist wenig mit. Lediglich die Phase des »Habenwollens« in Form eines kurzen Meckerns lässt mich für einen Moment aufwachen, aber Christin reagiert blitzartig, und ich schlafe binnen Sekunden wieder ein. Meine Liebste schläft nämlich »standby«. Sobald auch nur der Ansatz eines Geräusches oder einer Bewegung auf den Milchbedarf schließen lässt, ist sie bereit zum Andocken. Einen so schnellen Start bekommt nicht mal Windows 8 hin. Wenn ich meine Einsatzbereitschaft mitten in der Nacht damit vergleiche, wäre ich gerade mal Windows 95 – im defekten Zustand. Ich bin eben ein Mann und kriege nur mit, was ich auch mitkriegen muss.
Dafür versuche ich, meine Frau so oft wie möglich zu entlasten, indem ich sie morgens ein wenig länger schlafen lasse, wenn das Prinzesschen schon wieder um sechs Uhr Action macht. Dann schnappe ich sie mir und gehe ins Wohnzimmer. Tür zu, Musik an. Allerdings steht das kleine Fräulein nicht so sehr auf Radio. Sie will live bespaßt werden. So schlurfe ich wippend und trällernd durch die Wohnung. Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Zeit, als ich noch Kinderlieder kannte, beziehungsweise sang, liegt fast dreißig Jahre zurück.
Die erste Strophe vom Fuchs, der die Gans gestohlen hat, kriege ich noch hin. Auch das Lied mit all meinen Entchen, die ihre Köpfchen ins Wasser stecken. Auf Dauer ist das aber ein bisschen eintönig. Bei den Vögeln, die alle schon da sind, ist bei mir bereits mitten in Strophe eins der Ofen aus. Wie war das noch mal? Wird erst gezwitschert, dann gesungen und dann tiriliert? Und wann wird musiziert und gepfiffen? Und wer marschiert ein – und vor allem: Warum? Ich weiß es nicht mehr. Außerdem bringe ich diese ganzen Vogellieder dauernd durcheinander. Der Kuckuck und der Esel streiten sich, wer wohl am besten sänge – obwohl doch der Kuckuck aus dem Wald ruft und davon singt, dass der Frühling bald kommt. Ich finde, ein Esel kann das beileibe nicht so glaubwürdig rüberbringen. Außerdem gibt es einen anderen Kuckuck, der einen auf Jesus macht. Der sitzt auf einem Baum, simsalabim, bamba, saladu, saladim, wird von einem Jäger totgeschossen und ist ein Jahr später wieder da. Hallelujah! Streng genommen ist das kein Kuckuck, sondern ein Messiasmessias. Warum zum Kuckuck ist dieser Vogel eigentlich in Liedern so beliebt? Und dann kommt auch noch ein Vogel geflogen, der sich auf meinen Fuß niedersetzt und einen Zettel im Schnabel hat – mit einem Gruß von der Mutter. Hätte die Mutter aber auch per SMS erledigen können. Obendrein wollen auch noch ein paar Vögel heiraten, und davon gibt es gleich sechsundzwanzig Strophen. Wie um Himmels willen soll man sich das merken? Deswegen denke ich mir meist spontan ein paar Dinge aus, die die Vögel in meinem Lied machen. Kostprobe gefällig?
Die Taube, die Taube, prallt auf die Motorhaube.
Das Huhn kriegt schnell ein Brett vor’n Kopf und landet dann im Suppentopf.
Die Pute rennt gegen einen Spaten, nun gibt es sie als Sonntagsbraten.
Der Storch fällt in den Schornstein rein und bricht sich dabei nur ein Bein.
Die Meise ist ganz komisch steif, man sieht den Fall bei KRIPO LIVE .
Für mich ein unterhaltsames Späßchen, aber was sagt meine Tochter, wenn sie erst einmal den Inhalt versteht? Deshalb bin ich dazu übergegangen, gute alte Schlager zum Besten zu geben: Das Repertoire von Roland Kaiser und Costa Cordalis habe ich noch ganz gut intus. Immerhin habe ich einundzwanzig Jahre bei meinen Eltern gewohnt. Wenn wir mit unserem wackeren Opel Corsa kurz nach der Wende in den Urlaub gefahren sind, wurden die alten Schinken auf zig MC s hoch- und runtergenudelt. Ob ich wollte oder nicht.
Eine Anmerkung für meine Leser jüngeren Semesters: MC ist die Abkürzung für Musikcassette. Die MC s waren etwa so groß wie ein Smartphone, aber das Einzige, was man daran »touchen« konnte, waren die beiden kleinen Rädchen darin. Da steckte man einen Bleistift hinein, um das Magnetband vernünftig aufzudröseln, wenn es mal wieder Bandsalat gegeben hatte. Und nein. Das ist nix zum Essen. Bandsalat war das Schlimmste, was einem als Musikliebhaber passieren konnte. Fragt einfach mal eure Eltern!
Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, ich singe also
Weitere Kostenlose Bücher