Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
SMS auf meinem Handy ankam, schrieb ich wütend zurück: Geh doch zum Teufel bzw. zu Vanessa! Dann schaltete ich das blöde Ding ganz aus.
»Oh-oh!«, sagte meine Mutter. Sie war mir in die Diele gefolgt und betrachtete mich stirnrunzelnd. »Das lief wohl nicht so rund, was? Was ist passiert?«
»Lass mich in Ruhe!«, befahl ich ihr.
Passend zu diesem Krisenszenario kam nur einen Augenblick später Sophie die Treppe heruntergerannt. Ihr Gesicht war tränenüberströmt – und wütend. Im Vorbeilaufen schnappte sie sich ihre Handtasche von der Garderobe und stürmte aus der Haustür.
Ich lief ihr nach. »Was ist passiert?«
»Lass mich in Ruhe!«, brüllte sie. Ohne weiteren Kommentar sprang sie in den Wagen, startete den Motor und setzte mit quietschenden Reifen aus der Einfahrt.
»Da ist aber jemand mit den Nerven runter«, konstatierte meine Mutter.
Helga kam aus der Küche. »Sie darf doch gar nicht alleine fahren, oder?«
»O Gott!«, sagte ich verstört. Auch das noch! Hoffentlich fuhr sie vorsichtig! Und ließ sich vor allem nicht erwischen. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Punkte dafür drohten, die Kosten nicht mitgerechnet. Und den Führerschein wäre sie dann natürlich auch gleich los. Ich wollte mein Handy einschalten und sie anrufen, um sie zur Vernunft zu bringen, verkniff es mir dann aber, denn wenn sie während der Fahrt beim Telefonieren erwischt wurde, würde sie erst recht auffallen und angehalten werden.
Ich nahm eine Kopfschmerztablette, doch die konnte nichts gegen das nahende Unheil ausrichten. Die schwarze Wolkenwand kam um die Mittagszeit immer näher und schien sich direkt über meinem Haus zu der gewaltigsten Regenfront des Jahres aufzubauen. Im Internet wurde die Regenwahrscheinlichkeit mit einhundert Prozent angegeben. Und dann, am frühen Nachmittag, fing es unwiderruflich an zu regnen! Es war noch kein Schlagregen, aber als Nieseln konnte man es beim besten Willen nicht bezeichnen. Das merkte ich schon daran, dass ich binnen kürzester Zeit nass wurde, während ich im Garten stand und verzweifelt zu meinem Dach hochschaute.
Timo und Spike sprangen um die Sandkiste herum und spielten Fangen; der Hund gewann und schubste das Kind auf den Rasen. Timo kam total verschlammt zu mir und fragte, ob ich mitspielen wollte, doch ich bewachte lieber das Dach und versuchte abzuschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass der Regen sich in eine Sintflut verwandeln würde. War es in den letzten fünf Minuten nicht schon wieder ein bisschen schlimmer geworden?
»Spike ist übrigens ein ganz toller Wachhund«, informierte Timo mich.
»Ja, auf jeden Fall«, sagte ich geistesabwesend. Vielleicht sollte ich aufs Dach klettern und wenigstens auf der Wetterseite zusätzliche Schutzmaßnahmen ergreifen. Ich könnte Malerfolie ausrollen. Davon war noch jede Menge da. Und sobald ich sie aufgebracht hatte, könnte ich Müllsäcke zerschneiden und daraus mehr Folie herstellen.
»Er hat den Mann richtig gebissen«, sagte Timo stolz. »Der hat total geblutet. Und dann ist er ganz schnell abgehauen. Er ist über den Zaun geklettert und weggelaufen. Spike hat ihn verjagt.«
»Oh, fein«, meinte ich zerstreut. Die Folie könnte ich antackern. Oder mit doppelseitigem Klebeband befestigen. Ich dürfte natürlich dabei nicht runterschauen, schließlich war ich nicht schwindelfrei. Aber für mein Dach würde ich das auf mich nehmen.
»Der Mann hat gesagt, er kommt wieder«, erklärte Timo.
»Das ist nett«, sagte ich, in Gedanken mit der Frage beschäftigt, ob ich mir vielleicht besser ein Seil um die Hüfte binden sollte. Als Sicherung, so wie es Bergsteiger taten.
»Mama, guck mal, da ist ein Laster! Und Tobias ist auch da!«
»Was?!« Ich fuhr herum und traute meinen Augen nicht. Tatsächlich! Vor dem Haus stand der große Laster der Firma Herzog. Gefolgt von einem Kleinbus, dem soeben ein halbes Dutzend Männer in Arbeitskleidung entstiegen. Dachdecker! Ungläubig starrte ich sie an, und dann sah ich, was sich auf der Ladefläche des Lasters befand. Es war blau. Ich zwinkerte mehrmals und rieb mir die Augen, weil ich es für eine optische Täuschung hielt, doch dann kamen Tobias und Herr Herzog und die Dachdecker in den Garten, und Tobias sagte: »Wir haben dir die Dachpfannen mitgebracht.«
*
Ich konnte es immer noch nicht glauben, auch nicht, als die Männer im Akkord anfingen, die Dachpfannen abzuladen und sie mittels Förderband aufs Dach hinaufzuschaffen, wo sie in akkuraten
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