Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Kind bedeutete lebenslange Verantwortung, und ich würde ihm helfen, sie zu tragen.
»Sie ist schon im vierten Monat, ich bin so wahnsinnig happy!«, sagte er. Offenbar war er unerwartet schnell in seine neue Rolle hineingewachsen.
Sofort kam ich mir unglaublich kleingeistig und engstirnig vor. Tief durchatmend beschloss ich, an mir zu arbeiten. Ich sollte lernen, das Positive daran zu sehen! Ein niedliches goldlockiges Baby! Ein krähender Wonneproppen! Ein herzig lächelndes Engelchen! Ein kreischendes Wesen, das blau anlief und sich auf die Erde warf, weil es die Zigaretten nicht essen durfte. Ein Krabbelkind, das überall die Finger hineinsteckte, besonders gern in Steckdosen. Ein gefräßiger Zwerg, der schneller volle, grausam stinkende Windeln produzierte, als man saubere heranschaffen konnte.
»Es freut mich, dass du dich freust«, sagte ich tapfer.
»Und du?«, fragte er. »Freust du dich auch?«
»Ich werde es lernen«, behauptete ich.
Er runzelte die Stirn. »Ich dachte, dass du genauso erleichtert bist wie ich. Die Vorstellung, dass ich jetzt schon Vater werde, fand ich nämlich nicht so prickelnd.«
Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass wir aneinander vorbeigeredet hatten. »Heißt das, du bist gar nicht der Vater?«
»Ich sagte doch, sie ist schon im vierten Monat. Also kann es gar nicht von mir sein, denn das mit mir ist ja erst zwei Monate her.«
Ich musste mich wieder am Gartenzaun festhalten, diesmal vor Erleichterung. »Gott sei Dank!«, sagte ich inbrünstig. »Und beim nächsten Mal passt du besser auf!«
Er zuckte die Achseln. »Ich hab doch verhütet. Aber sie war ja schon schwanger. Nur halt nicht von mir.« Sein Gesicht nahm einen leicht gequälten Ausdruck an. »Irgendwie voll krass, oder? Ich meine, dass ich mit ihr rumgemacht habe, während sie schon …« Ihm fehlten die Worte.
Hoffentlich lernte er etwas daraus. Zum Beispiel, nicht den falschen Leuten zu vertrauen.
*
Bevor ich ins Haus ging, warf ich einen Blick zum Himmel. Ballten sich da dunkle Wolken zusammen? Besorgt betrachtete ich eine besonders auffällige Wolkenformation, die eindeutig im Wachsen begriffen war. Das sah nach extrem hoher Regenwahrscheinlichkeit aus!
Im Haus hatte das Gewitter schon angefangen, genauer gesagt, zwischen Helga und meiner Mutter war ein Riesenkrach im Gange. Die beiden saßen am Küchentisch, tranken Kaffee und zofften sich, was das Zeug hielt.
»Das kannst du nicht machen!«, schrie Helga.
»Und ob ich das mache, du verknöcherter alter Drachen!«, schrie meine Mutter zurück. Als sie mich sah, versuchte sie sofort, mich auf ihre Seite zu ziehen. »Sag ihr, dass sie sich da nicht einmischen soll!«
»Wo soll sie sich nicht einmischen?«
»In meine Angelegenheiten!«
»Du meinst wohl in deine Affären «, korrigierte Helga sie. An mich gewandt, setzte sie empört hinzu: »Sie trifft sich immer noch mit diesem Professor! Im Hotel!«
»Hierher kann er ja schlecht kommen, nach diesem Reinfall neulich!«, gab meine Mutter verärgert zurück.
»Er ist verheiratet!«
»Meine Güte, was besagt das heutzutage schon!«
»Und nebenher verabredet sie sich im Internet schon wieder mit neuen Kerlen«, teilte Helga mir mit.
»Ich bin erwachsen!«, rief meine Mutter.
»Du bist kindisch, denn du handelst unverantwortlich und leichtsinnig! Eines Tages wirst du sehenden Auges in dein Unglück laufen!«
Mein Blick ging zur offenen Terrassentür. Draußen stand die Kotzschüssel.
»Hat Timo …«
Helga stemmte die Hände in die Hüften. »Das ist nur Lieselottes Schuld.«
»Er hat bloß zufällig gehört, dass ich ihm eine Transformers-Figur in die Schultüte packen will«, verteidigte sich meine Mutter. »Er liebt Transformers!«
Helga schlug auf den Tisch. »Das ist Kriegsspielzeug! Das kommt nicht in die Tüte!«
»Kommt es doch! Außerdem hat er erst gekotzt, als du sagtest, dass du ihm Bauklötzchen in die Schultüte tun willst!«
»Ich habe Lego gesagt«, widersprach Helga.
»Das ist doch dasselbe!«
Ich rieb mir die Schläfen, weil ich den Eindruck hatte, dass sich wieder Kopfschmerzen anbahnten. In diesem Moment klingelte mein Handy. Hastig zog ich mich in die Diele zurück. Im Display stand die Nummer von Tobias. Ich ging nicht dran. Kurz darauf kam eine SMS , wieder von Tobias.
Was ist los? Wo bist Du?
Gleich darauf klingelte das Festnetztelefon, wieder zeigte das Display Tobias’ Nummer. Vorsorglich schaltete ich den Ton ab. Als nur Sekunden später die nächste
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