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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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Gerichtstermin werdet ihr alle mit den Jeeps des Elektors zurück ins Militärhauptquartier von Pierra gefahren. Die Patrioten werden an der Strecke dorthin lauern.«
    Die Soldatin wartete kurz ab, für den Fall, dass ich Fragen hätte. Doch ich starrte einfach weiter geradeaus. Ich konnte mir sowieso schon denken, was die Patrioten von mir verlangen würden – dass ich Anden von seinen Wachen trenne. Dann würden die Patrioten ihn aus seinem Jeep zerren und erschießen. Sie würden die Szene filmen und mithilfe der angezapften JumboTrons und Lautsprecher im Capitol Tower von Denver in der gesamten Republik verbreiten.
    Als ich weiter schwieg, räusperte sich die Soldatin und fuhr mit gehetzter Stimme fort: »Achte unterwegs auf eine Explosion. Wenn du sie hörst, bring Anden dazu, seinem Konvoi den Befehl zu geben, eine andere Strecke zu fahren. Sorg auf jeden Fall dafür, dass der Elektor von seinen Wachen getrennt wird – sag ihm, dass er dir vertrauen soll. Wenn du bisher alles richtig gemacht hast, wird er deinen Rat befolgen.« Die Soldatin lächelte mich kurz an. »Sobald Andens Jeep von den anderen getrennt ist, erledigen wir den Rest.«
    Den Rest der Nacht verbrachte ich in unruhigem Schlaf.
    Jetzt, auf dem Weg zum Gerichtsgebäude, suche ich die Hausdächer und kleinen Gassen ab, halte Ausschau nach verborgenen Patriotenaugen und frage mich, ob ein Paar davon wohl hellblau ist. Day wird heute mit ihnen irgendwo hier draußen sein. Meine Hände in den schwarzen Handschuhen sind klamm vor kaltem Schweiß. Selbst wenn er meine Zeichen gesehen hat – wird er verstehen, was ich damit meine? Wird er wissen, dass er alles stehen und liegen lassen und die Flucht ergreifen soll?
    Während wir uns dem stattlichen gewölbten Haupteingang des Gerichtsgebäudes nähern, präge ich mir aus Gewohnheit Straßennamen und andere Details meiner Umgebung ein: in welcher Richtung das Militärhauptquartier liegt oder die Stelle, wo in der Ferne das Krankenhaus von Pierra aufragt. Es ist, als könnte ich spüren, wie sich die Patrioten in Position bringen. Eine seltsame Stille liegt in der Luft, obwohl die Häuser in dieser Gegend eng stehen und die Straßen schmal sind; Soldaten und Zivilisten (die meisten von ihnen arm und mit der Aufgabe betraut, sich um die Soldaten zu kümmern) eilen geschäftig über die Bürgersteige. Ein paar der Soldaten starren uns einen Tick zu lange an. Ich präge mir sorgfältig ihre Gesichter ein. Die Patrioten müssen uns beobachten.
    Im Inneren des Gebäudes ist es so kalt, dass mein Atem weiße Wolken bildet, und ich zittere ununterbrochen. (Die Decke ist mindestens sechs Meter hoch und der glänzende Holzfußboden, dem Geräusch unserer Schritte nach zu urteilen, aus irgendeinem Imitat. Nicht besonders gut geeignet, um im Winter die Wärme zu speichern.)
    »Wie lange wird es noch dauern?«, frage ich eine Soldatin, während sie mich zu meinem Platz im vorderen Teil des Gerichtssaals geleiten. Das harte Klappern meiner Stiefel (aus warmem, wasserfestem Leder) hallt im ganzen Raum wider. Ich erschaudere trotz des doppelreihigen Mantels, den ich trage.
    Die Soldatin nickt mir verständnisvoll zu. »Nicht lange, Ms Iparis«, antwortet sie mit routinierter Höflichkeit. »Der Elektor und die Senatoren befinden sich gerade in den letzten Verhandlungen. Vielleicht noch eine gute halbe Stunde.«
    Es ist wirklich interessant. Da der Elektor mich heute begnadigt, sind die Soldaten unsicher, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollen. Mich bewachen wie eine Verbrecherin? Oder mir die Füße küssen wie einer hochrangigen Republikagentin aus einer der Hauptstadteinheiten?
    Wir warten und warten. Mir ist ein wenig schwindelig. Sie haben mir Medikamente gegeben, nachdem ich Anden gegenüber meine Symptome erwähnt habe, doch sie haben nicht geholfen. Mein Kopf fühlt sich immer noch heiß an und ich habe Schwierigkeiten, die genaue Zeit im Blick zu behalten.
    Schließlich, nachdem ich sechsundzwanzig Minuten abgezählt habe (möglicherweise mit einer Abweichung von drei oder vier Sekunden), tritt Anden aus einer der Türen am gegenüberliegenden Ende des Saals, gefolgt von einer Gruppe Funktionäre. Es ist offensichtlich, dass nicht jeder mit dem Ergebnis der Verhandlungen zufrieden ist; ein paar der Senatoren halten sich im Hintergrund, die Lippen zu dünnen Strichen zusammengepresst. Unter ihnen erkenne ich Senator Kamion, den Mann, mit dem sich Anden auf der Zugfahrt hierher gestritten hat. Sein

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