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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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lächele - jetzt hätte ich wohl genug echte Verletzungen, um dort aufgenommen zu werden.
    Metias’ Augen werden schmal. »Hände hoch. Sie sind verhaftet wegen Diebstahls, Vandalismus und Hausfriedensbruchs.«
    »Sie bekommen mich nicht lebend.«
    »Tot wäre mir genauso recht, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Was als Nächstes passiert, ist wie ein einziges verschwommenes Gewirr. Ich sehe, wie Metias sich anspannt, um auf mich zu schießen. Ich schleudere mit aller Kraft mein Messer nach ihm. Bevor er abdrücken kann, trifft es ihn mit voller Wucht in die Schulter und er fällt mit einem dumpfen Aufprall hintenüber. Ich warte nicht, bis er wieder aufsteht, sondern bücke mich und hebe den Kanaldeckel an. Dann steige ich ein Stück die Leiter hinunter in die Dunkelheit und ziehe den Deckel wieder zurück auf die Öffnung des Schachts.
    Jetzt holen mich meine Verletzungen ein. Ich humpele durch den Abwasserkanal, während mein Sichtfeld immer wieder zu einem zähen Nebel verschwimmt, und presse mir eine Hand in die Seite. Ich achte sorgsam darauf, nicht die Wände zu berühren. Jeder Atemzug tut weh. Ich muss mir eine Rippe gebrochen haben. Ich bin genug bei Bewusstsein, um mir darüber Gedanken zu machen, wo ich eigentlich hinlaufe, und konzentriere mich darauf, mich in Richtung des Lake-Sektors zu bewegen. Tess ist dort. Sie wird mich finden und mir helfen, mich in Sicherheit zu bringen.
    Über mir meine ich, Schritte und die Stimmen von Soldaten zu hören. Sicherlich hat inzwischen irgendjemand Metias gefunden und vielleicht sind sie mir sogar hier runter in die Kanalisation gefolgt. Gut möglich, dass sie mir mit einer Meute Hunde auf den Fersen sind. Ich beschließe, ein paarmal abzubiegen und im dreckigen Kanalisationswasser weiterzulaufen. Hinter mir höre ich platschendes Wasser und das Echo von Stimmen. Ich biege noch einige Male ab. Die Stimmen kommen ein bisschen näher, dann werden sie wieder leiser. Ich konzentriere mich mit aller Kraft auf die ursprüngliche Richtung, die ich eingeschlagen hatte.
    Das wäre wirklich eine ziemliche Ironie des Schicksals - aus dem Krankenhaus entkommen zu sein, nur um dann hier unten in diesem stinkenden Abwasserlabyrinth zu sterben.
    Ich zähle die Minuten, um nicht ohnmächtig zu werden. Fünf Minuten, zehn Minuten, dreißig Minuten, eine Stunde. Die Schritte hinter mir scheinen jetzt weit entfernt, so als hätten sie einen anderen Weg eingeschlagen als ich. Hin und wieder höre ich seltsame Geräusche wie ein blubberndes Reagenzglas oder das Seufzen einer Dampfleitung, wie ein Luftzug. Es kommt und geht. Zwei Stunden. Zweieinhalb Stunden. Bei der nächsten Leiter, die an die Oberfläche führt, setze ich alles auf eine Karte und ziehe mich hoch. Ich bin jetzt kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Es kostet mich den Rest meiner Kraft, mich hinauf auf die Straße zu hieven. Ich bin in einer dunklen Gasse. Als ich wieder ein wenig zu Atem gekommen bin, blinzele ich die Benommenheit weg und studiere meine Umgebung.
    In ein paar Blocks Entfernung sehe ich den Bahnhof Union Station. Jetzt ist es nicht mehr weit. Tess wird da sein und auf mich warten.
    Noch drei Blocks. Noch zwei Blocks.
    Noch einen Block muss ich weiter. Aber ich kann nicht mehr. Ich suche mir eine dunkle Ecke in einer Seitenstraße und breche zusammen. Das Letzte, was ich sehe, ist der Umriss eines Mädchens in der Dunkelheit. Vielleicht kommt sie auf mich zu. Ich rolle mich zusammen und dämmere langsam weg.
    Kurz bevor ich das Bewusstsein verliere, merke ich, dass die Kette um meinen Hals verschwunden ist.

JUNE
    Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, an dem mein Bruder seine Aufnahmezeremonie beim Militär der Republik verpasste.
    Es war ein Sonntagnachmittag. Heiß und staubig. Braune Wolken überzogen den Himmel. Ich war sieben Jahre alt und Metias neunzehn. Mein weißer Schäferhundwelpe Ollie schlief auf den kühlen Marmorfliesen unserer Wohnung. Ich lag mit Fieber im Bett und Metias saß mit sorgenvoll gerunzelter Stirn neben mir. Draußen konnten wir die Lautsprecher hören, aus denen das Nationalgelöbnis der Republik dröhnte. Als der Teil kam, in dem unser Staatsoberhaupt erwähnt wird, stand Metias auf und salutierte in Richtung Denver, unserer Hauptstadt. Elektor Primo hatte gerade eine weitere vierjährige Amtsperiode angetreten. Seine elfte.
    »Du musst nicht hier bei mir sitzen«, sagte ich zu Metias, als das Gelöbnis zu Ende war. »Geh ruhig zu deiner Aufnahmefeier. Ich bin so

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