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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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Sie finden die Messer nicht, die ich in meinen Stiefeln versteckt habe. Aber sie nehmen mir die kleine Geldbörse ab, die an meinem Gürtel hängt, der Preis dafür, dass sie mich ins Krankenhaus lassen. Natürlich.
    Wäre ich ein Junge aus einem der stinkreichen Sektoren, hätten sie mich ohne Bezahlung aufgenommen. Oder sie hätten mir kostenlos einen Arzt direkt nach Hause geschickt.
    Als die Soldaten der Krankenschwester mit erhobenen Daumen grünes Licht geben, deutet sie auf die Eingangstür. »Das Wartezimmer ist auf der linken Seite. Setzen Sie sich da hin.«
    Ich danke ihr und stolpere auf die elektrischen Schiebetüren zu. Der Mann namens Metias mustert mich, als ich an ihm vorbeigehe. Er hört geduldig einem seiner Soldaten zu, aber ich bemerke, wie er, offenbar aus Gewohnheit, mein Gesicht studiert. Auch ich präge mir sein Gesicht ein.
    Das Innere des Krankenhauses ist gespenstisch weiß. Links von mir sehe ich das Wartezimmer, genau wie die Krankenschwester gesagt hat - ein riesiger Bereich voller Menschen mit Verletzungen jeder Art und Größe. Viele von ihnen stöhnen vor Schmerzen - einer liegt reglos auf dem Fußboden. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie lange einige wohl schon hier warten oder wie viel sie bezahlen mussten, um überhaupt reingelassen zu werden. Ich merke mir, wo die Soldaten stehen - zwei Mann vor der Anmeldung, zwei weiter hinten an der Tür zum Ärztebereich und ein paar bei den Aufzügen, jeder von ihnen trägt einen Dienstausweis -, dann senke ich den Blick zu Boden. Ich schlurfe zum nächsten Stuhl und setze mich hin. Ausnahmsweise mal kommt mir mein kaputtes Knie ganz gelegen. Um dem Bild den letzten Schliff zu verpassen, presse ich mir noch beide Hände in die Seite.
    Im Kopf zähle ich zehn Minuten ab, in denen neue Patienten hinzukommen und die Soldaten das Interesse an mir verlieren. Dann stehe ich auf, humpele ein Stück und wanke dann auf den Soldaten zu, der mir am nächsten steht. Seine Hand wandert automatisch zu seiner Waffe.
    »Setzen Sie sich wieder hin«, befiehlt er.
    Ich stolpere und taumele gegen ihn. »Ich muss mal«, krächze ich mit heiserer Stimme. Meine Hände zittern, als ich mich Halt suchend an seinen schwarzen Umhang klammere. Der Soldat blickt mich angewidert an, während ein paar seiner Kollegen schadenfroh kichern. Ich sehe, wie seine Finger langsam zum Abzug seiner Pistole wandern, aber einer der anderen Soldaten schüttelt den Kopf. Im Krankenhaus wird nicht geschossen. Der Soldat schiebt mich von sich weg und deutet mit seiner Pistole zum anderen Ende des Gangs.
    »Da drüben«, schnauzt er. »Wisch dir gefälligst den Dreck aus dem Gesicht. Und wenn du mich noch mal anfasst, jag ich dir ’ne Ladung Blei in den Hintern.«
    Ich lasse ihn los und falle beinahe auf die Knie. Dann drehe ich mich um und stolpere auf die Toiletten zu. Meine Lederstiefel quietschen über die Bodenfliesen. Ich spüre die Blicke der Soldaten auf mir, bis ich die Toilettentür hinter mir zuziehe und abschließe.
    Macht nichts. In ein paar Minuten werden sie mich wieder vergessen haben. Und der Soldat, an dem ich mich festgeklammert habe, wird sogar noch ein paar Minuten länger brauchen, um zu merken, dass sein Ausweis verschwunden ist.
    Auf der Toilette angekommen, kann ich mit meiner Krankenmasche aufhören. Ich schaufele mir Wasser ins Gesicht und schrubbe, bis das Schweineblut und der Dreck größtenteils weg sind. Ich schnüre meine Stiefel auf und greife hinein, um meine Messer hervorzuholen, die ich in meinen Gürtel stecke. Dann ziehe ich die Stiefel wieder an. Als Nächstes knote ich das schwarze Hemd um meine Taille los, schlüpfe hinein und knöpfe es bis zum Hals zu. Dann nehme ich meine Haare zu einem straffen Pferdeschwanz zusammen und stopfe sie in meinen Hemdkragen, sodass sie platt auf meinen Rücken gepresst sind.
    Als Letztes ziehe ich meine Handschuhe an und binde mir das schwarze Taschentuch über Mund und Nase. Wenn mich jetzt jemand erwischt, muss ich sowieso die Beine in die Hand nehmen. Also kann ich genauso gut gleich mein Gesicht verbergen.
    Als ich fertig bin, benutze ich die Spitze eines meiner Messer, um die Abdeckung des Lüftungsschachts zu öffnen. Dann hole ich den Ausweis des Soldaten hervor, klemme ihn an die Schnur mit meinem Anhänger und krieche mit dem Kopf voran in den engen Tunnel.
    Die Luft im Schacht riecht seltsam und ich bin froh über das Taschentuch vor meinem Gesicht. So schnell ich kann, robbe ich vorwärts. Der

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