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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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ihrer Umgebung, und wirkt fröhlich und unbeschwert. Ich höre, wie sie leise ein Lied vor sich hin summt.
    »Der Republikwalzer«, murmele ich, als ich die Melodie erkenne.
    Der Junge, der an meiner Seite geht, wirft mir einen Blick zu. Dann grinst er. »Scheint ganz so, als wärst du ein Fan von Lincoln.«
    Ich darf ihm nicht verraten, dass ich zu Hause alle Lieder von Lincoln und ein paar signierte Fanartikel habe, dass ich sie sogar einmal bei einem Staatsbankett live gesehen habe, wo sie politische Hymnen gesungen hat, oder dass sie ein Lied zu Ehren jedes einzelnen Generals an der Front geschrieben hat. Stattdessen lächele ich. »Ja, scheint so.«
    Er erwidert mein Lächeln. Seine Zähne sind schön, die schönsten, die ich bisher auf der Straße gesehen habe. »Tess liebt Musik«, sagt er. »Sie schleppt mich immer mit zu den Bars hier in der Nähe, damit sie sich die Hymnen anhören kann, die sie drinnen spielen. Keine Ahnung. Muss irgend so eine Mädchensache sein.«
    Eine halbe Stunde später fällt ihm erneut auf, dass ich erschöpft bin. Er ruft Tess zu uns und führt uns in eine der Gassen, in denen sich eine Reihe großer Müllcontainer aus Metall zwischen die Hauswände quetscht. Einen davon schiebt er ein Stück nach vorn, um Platz für uns zu schaffen. Dann kauert er sich dahinter, bedeutet Tess und mir, uns ebenfalls zu setzen, und beginnt, seine Jacke aufzuknöpfen.
    Ich werde feuerrot und danke allen Göttern der Welt für die Dunkelheit, die uns umgibt. »Mir ist nicht kalt und ich blute auch nicht«, versichere ich ihm. »Also behalt deine Klamotten an.«
    Der Junge sieht mich an. Ich hätte erwartet, dass seine leuchtenden Augen in der Nacht dunkler aussehen, stattdessen aber scheinen sie das Licht, das aus den Fenstern über uns fällt, zu reflektieren. Er wirkt belustigt. »Wer hat denn gesagt, dass ich das für dich tue, Süße?« Er zieht seine Jacke aus, faltet sie ordentlich zusammen und legt sie neben den Rädern des Müllcontainers auf den Boden. Tess streckt sich auf dem Pflaster aus und bettet wortlos ihren Kopf auf das Bündel, so als wäre das eine alte Gewohnheit.
    Ich räuspere mich. »Natürlich«, murmele ich. Das leise Lachen des Jungen ignoriere ich.
    Tess bleibt noch eine Weile auf und unterhält sich mit uns, doch schon bald werden ihre Augenlider schwer und sie schläft ein, den Kopf auf der Jacke des Jungen. Der Junge und ich verfallen in Schweigen. Eine Weile betrachte ich Tess.
    »Sie wirkt so zerbrechlich«, flüstere ich.
    »Ja ... aber sie ist zäher, als sie aussieht.«
    Ich sehe zu ihm hoch. »Du kannst froh sein, dass du sie hast.« Meine Augen wandern zu seinem Bein. Er bemerkt meinen Blick und ändert schnell seine Körperhaltung. »Sie war sicher eine große Hilfe, als du dich am Bein verletzt hast.«
    Er begreift, dass ich sein Humpeln bemerkt haben muss. »Ach wo. Das ist schon ’ne Ewigkeit her.« Er zögert und scheint dann zu beschließen, es dabei zu belassen. »Wie verheilt denn eigentlich deine Wunde?«
    Ich winke ab. »Alles in Ordnung.« Doch noch während ich es sage, beiße ich die Zähne zusammen. Dass ich den ganzen Tag auf den Beinen war, war nicht gerade förderlich und der Schmerz beginnt, sich wieder in mir auszubreiten wie ein Flächenbrand.
    Der Junge bemerkt mein angespanntes Gesicht. »Wir sollten den Verband wechseln.« Er steht auf und zieht, ohne Tess zu wecken, eine Rolle weißes Verbandszeug aus ihrer Tasche. »Ich bin zwar nicht so gut darin wie sie«, flüstert er. »Aber ich würde sie lieber schlafen lassen.«
    Er setzt sich neben mich und öffnet die untersten Knöpfe meines Hemdes, dann schiebt er es hoch, bis meine bandagierte Taille freiliegt. Seine Finger streifen meine Haut. Ich versuche, mich auf seine Hände zu konzentrieren. Er greift an einen seiner Stiefel und zieht etwas heraus, das wie ein kurzes Küchenmesser aussieht (schlichter Silbergriff, abgenutzte Klinge - er hat es schon unzählige Male benutzt, unter anderem, um Dinge durchzuschneiden, die sehr viel härter als Stoff waren). Eine seiner Hände liegt auf meinem Bauch. Obwohl das Leben auf der Straße seine Finger schwielig gemacht hat, sind sie so sanft und vorsichtig, dass ich merke, wie mir die Wärme in die Wangen steigt.
    »Halt still«, murmelt er. Dann schiebt er das Messer flach zwischen meine Haut und den Verband und schneidet den Stoff durch. Ich zucke zusammen. Er löst den Verband von meiner Wunde.
    Noch immer sickern winzige Blutstropfen aus dem

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