Legend - Fallender Himmel
wieder zu.
Zwölf samtbezogene Sessel sind zu einem Kreis aufgestellt und in jedem sitzt ein Funktionär in schwarzer Uniform. Auf den Schultern der Männer und Frauen glänzen goldene Epauletten und sie alle halten elegante Gläser in den Händen. Einige von ihnen erkenne ich. Es sind auch ein paar Generäle von der Front darunter, wahrscheinlich diejenigen, von denen Thomas eben gesprochen hat. Einer von ihnen bemerkt uns und kommt auf uns zu, dicht gefolgt von einem etwas jüngeren Mann. Als sie den Kreis verlassen, erhebt sich der Rest der Gruppe und verbeugt sich in ihre Richtung.
Der ältere der beiden Männer ist groß, mit ergrauenden Schläfen und einem kantigen Kinn. Seine Haut wirkt fahl und kränklich. Vor dem rechten Auge trägt er ein gold gerändertes Monokel. Chian steht plötzlich stramm, und als Thomas meinen Arm loslässt, blicke ich zu ihm und sehe, dass er es Chian nachtut. Der Mann vollführt eine Geste mit der Hand und alle nehmen wieder entspanntere Haltungen an. Erst jetzt erkenne ich ihn. Im wahren Leben sieht er anders aus als auf den Porträts oder den Bildschirmen der JumboTrons, auf denen seine Haut einen wesentlich gesünderen Farbton hat und faltenlos ist. Jetzt fallen mir auch die vielen Bodyguards auf, die sich unter die übrigen Leute gemischt haben.
Das hier ist unser ehrwürdiger Elektor.
»Sie müssen Agent Iparis sein.« Seine Mundwinkel heben sich, als er meine verblüffte Miene bemerkt, doch in seinem Lächeln liegt wenig Wärme. Er greift nach meiner Hand und schüttelt sie kurz und fest. »Diese Herren hier berichten mir ja die großartigsten Dinge über Sie. Dass Sie ein Ausnahmetalent sind. Und, noch wichtiger, dass Sie einen äußerst unliebsamen Verbrecher hinter Schloss und Riegel gebracht haben. Darum hielt ich es für angebracht, Ihnen persönlich zu gratulieren. Wenn wir in unserem Land mehr solcher ehrgeizigen jungen Leute wie Sie hätten, mit einem ebenso scharfen Verstand, hätten wir den Krieg gegen die Kolonien schon vor langer Zeit gewonnen. Denken Sie nicht auch?« Er hält kurz inne, um einen Blick in die Runde zu werfen, und es erhebt sich zustimmendes Gemurmel. »Ich gratulieren Ihnen, meine Liebe.«
Ich neige den Kopf. »Welch eine Ehre, Sie persönlich kennenzulernen, Sir. Es ist mir ein Vergnügen, alles für unser Land zu tun, was in meiner Macht steht.« Ich bin überrascht, wie ruhig meine Stimme klingt.
Elektor Primo deutet auf den jungen Mann an seiner Seite. »Das hier ist mein Sohn, Anden. Heute ist sein zwanzigster Geburtstag, darum dachte ich, ich nehme ihn mit zu dieser reizenden Feier.«
Ich wende mich Anden zu. Er sieht seinem Vater sehr ähnlich, groß (ein Meter fünfundachtzig), mit einem aristokratischen Gesicht und dunklen, lockigen Haaren. Wie bei Day scheint auch in seinen Adern asiatisches Blut zu fließen. Doch anders als Days sind seine Augen grün und seine Miene wirkt unsicher. Er trägt weiße Fliegerhandschuhe mit aufwendigen Goldstickereien, was bedeutet, dass er seine Ausbildung zum Kampfpiloten bereits abgeschlossen hat. Linkshänder. In die goldenen Manschettenknöpfe an den Ärmeln seines schwarzen Militärsmokings ist das Wappen des Staates Colorado eingraviert. Das heißt, er ist dort geboren. Scharlachrote Weste, zweireihig. Im Gegensatz zum Elektor trägt er seine Air-Force-Uniform.
Anden lächelt, als er merkt, wie ich ihn mustere, dann vollführt er eine Verbeugung und nimmt meine Hand in seine. Doch anstatt sie zu schütteln, wie der Elektor es getan hat, hebt er sie an den Mund und küsst meinen Handrücken. Mein Herz schlägt so schnell, dass es mir peinlich ist. »Agent Iparis«, sagt er und lässt seinen Blick einen Moment lang auf mir ruhen.
»Es ist mir ein Vergnügen«, erwidere ich, unsicher, was ich sonst sagen soll.
»Mein Sohn wird im späten Frühjahr zur Wahl für das Amt des Elektors antreten.« Elektor Primo lächelt Anden an, der sich leicht verneigt. »Ist das nicht aufregend?«
»Dann wünsche ich ihm viel Glück, auch wenn ich nicht glaube, dass er es brauchen wird.«
Der Elektor schmunzelt. »Danke, meine Liebe. Das wäre dann alles. Bitte, Agent Iparis, genießen Sie Ihren Abend. Ich hoffe, wir werden uns bei Gelegenheit Wiedersehen.« Mit diesen Worten dreht er sich um. Anden folgt ihm. »Wegtreten!«, ruft der Elektor im Gehen.
Chian geleitet uns aus dem abgetrennten Bereich hinaus und zurück in den Hauptsaal.
Ich bekomme wieder Luft.
1:00 UHR SEKTOR RUBY
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