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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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23°C
    Als die Feier zu Ende ist, bringt mich Thomas zurück zu meiner Wohnung, ohne ein Wort zu sagen. Vor meiner Tür bleibt er noch einen Moment stehen.
    Ich breche das Schweigen. »Danke«, sage ich zu ihm. »Das war ein schöner Abend.«
    Thomas nickt. »Ja. Ich habe noch nie erlebt, dass Commander Jameson so stolz auf einen ihrer Soldaten war. Sie sind das Goldkind der Republik.« Dann wird er wieder still. Er ist unglücklich und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es an mir liegt.
    »Ist alles in Ordnung?«, frage ich.
    »Hmm? Ach so, ja, alles in Ordnung.« Thomas fährt sich mit der Hand durch sein sorgsam zurückgekämmtes Haar. Ein bisschen Gel bleibt an seinem Handschuh kleben. »Ich wusste nicht, dass der Sohn des Elektors auch da sein würde.« Ich sehe eine sonderbare Regung in seinen Augen aufblitzen - Ärger? Eifersucht? Sie überschattet sein Gesicht und lässt ihn hässlich aussehen.
    Ich übergehe seine Bemerkung. »Wir haben Elektor Primo persönlich kennengelernt. Können Sie das glauben? Das nenne ich einen erfolgreichen Abend. Ich bin wirklich froh, dass Commander Jameson und Sie mich überredet haben, etwas Hübsches anzuziehen.«
    Thomas mustert mich. Er wirkt nicht sonderlich amüsiert. »June, ich wollte Sie schon die ganze Zeit fragen ...« Er zögert. »Als Sie mit Day draußen im Lake-Sektor waren, hat er Sie da geküsst?«
    Ich erstarre. Mein Mikrofon. So muss er es herausgefunden haben - mein Mikrofon muss sich eingeschaltet haben, während wir uns küssten, oder vielleicht hatte ich es auch nicht richtig ausgeschaltet. Ich sehe Thomas in die Augen. »Ja«, antworte ich fest, »hat er.«
    Der Ausdruck von eben kehrt in seinen Blick zurück. »Warum?«
    »Vielleicht, weil er mich attraktiv fand. Wahrscheinlich lag es aber eher an dem billigen Wein, den er vorher getrunken hatte. Und ich habe mitgespielt. Ich wollte schließlich nicht die gesamte Mission aufs Spiel setzen, nachdem wir schon so weit gekommen waren.«
    Eine Weile stehen wir schweigend da. Dann, bevor ich protestieren kann, spüre ich Thomas’ behandschuhte Hand unter meinem Kinn und er beugt sich vor, um mich auf den Mund zu küssen.
    Ich weiche zurück, bevor seine Lippen meine berühren - doch jetzt liegt seine Hand in meinem Nacken. Voller Überraschung wird mir bewusst, wie sehr er mich plötzlich anwidert. Alles, was ich vor mir sehe, ist ein Mann, an dessen Händen Blut klebt.
    Thomas wirft mir einen langen Blick zu. Dann, endlich, lässt er mich los und tritt einen Schritt zurück. Ich kann den Unmut in seinen Augen lesen. »Gute Nacht, Ms Iparis.« Bevor ich antworten kann, eilt er den Flur hinunter.
    Ich schlucke. Ich werde ja wohl kaum Schwierigkeiten bekommen, weil ich meine Rolle auf der Straße gut gespielt habe, aber man braucht kein besonders guter Menschenkenner zu sein, um zu sehen, dass Thomas ernsthaft sauer ist. Ich frage mich, ob er diese Information irgendwie gegen mich verwenden wird und, wenn ja, was er damit anfangen könnte.
    Ich blicke ihm nach, bis er verschwunden ist, dann öffne ich die Tür und betrete langsam die Wohnung.
    Ollie begrüßt mich stürmisch. Ich streichele ihn und lasse ihn raus auf die Terrasse, dann reiße ich mir das scheußliche Kleid vom Leib und springe unter die Dusche. Anschließend schlüpfe ich in ein schwarzes T-Shirt und Shorts.
    Vergeblich versuche ich zu schlafen. Heute ist einfach zu viel passiert ... Days Verhör, die Begegnung mit dem Elektor und seinem Sohn und dann die Sache mit Thomas. Ich denke an den Tatort von Metias’ Ermordung, doch als ich in Gedanken versuche, das Geschehen zu rekonstruieren, verwandelt sich Metias’ Gesicht in das von Days Mutter. Ich reibe mir die Augen, deren Lider schwer vor Erschöpfung sind. In meinem Kopf wirbeln die verschiedensten Informationen durcheinander, während mein Verstand sie immer wieder zu ordnen versucht und jedes Mal kläglich scheitert. Ich versuche, mir meine Gedanken wie Datenbündel vorzustellen, die in kleine, ordentlich beschriftete Boxen einsortiert sind. Doch heute Nacht ergibt die Ordnung keinen Sinn und ich bin zu müde, um weiter darüber nachzugrübeln.
    Die Wohnung fühlt sich leer und fremd an. Beinahe sehnsüchtig denke ich an die Straßen von Lake. Mein Blick wandert zu der kleinen Truhe unter meinem Schreibtisch, in der sich die 200'000 Noten befinden, die ich für Days Festnahme bekommen habe. Ich weiß, dass ich das Geld an einen sichereren Ort bringen sollte, aber ich kann mich nicht

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