Legend - Fallender Himmel
ich endlich, wo ich bin. Ich stehe vor einem Gebäude im Herzen von Batalla, dem Militärsektor von Los Angeles. Eine riesige Menschenmenge hat sich hier versammelt und es ist ein beinahe ebenso großes Aufgebot an bewaffneten Soldaten nötig, um sie in Schach zu halten. Ich hätte nie gedacht, dass so viele Menschen ein Interesse daran haben, mich heute zu sehen. Ich lege den Kopf in den Nacken und sehe die JumboTrons an den umliegenden Gebäuden. Jeder einzelne zeigt mein Gesicht in Großaufnahme, begleitet von ein paar sich hastig erneuernden Schlagzeilen.
GESUCHTER VERBRECHER, BEKANNT ALS DAY, VERHAFTET
URTEILSVERKÜNDUNG HEUTE, BATALLA-PLATZ
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GEFÄHRLICHE BEDROHUNG FÜR DIE BEVÖLKERUNG ENDLICH FESTGENOMMEN
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JUGENDSTRAFTÄTER »DAY« BEHAUPTET, ALLEIN ZU ARBEITEN,
KEINE VERBINDUNG ZU PATRIOTEN
Ich starre in mein eigenes Gesicht auf den Bildschirmen. Es wirkt verquollen, blutig und teilnahmslos. Eine Strähne meines Haares ist blutgetränkt und hebt sich dunkelrot von meinem hellen Blond ab. Ich muss eine Platzwunde auf der Kopfhaut haben.
Einen Moment lang bin ich froh, dass meine Mutter nicht mehr am Leben ist und mich so nicht sehen kann.
Die Soldaten schieben mich auf einen Betonblock in der Mitte des Podests zu. Zu meiner Rechten wartet hinter einem Rednerpult ein Richter in scharlachroter Robe mit Goldknöpfen. Neben ihm steht Commander Jameson und rechts von ihr das Mädchen. Sie trägt wieder ihre prachtvolle Uniform und ihr Blick ist konzentriert und aufmerksam. Ihr Gesicht ist der Menschenmenge zugewandt, doch ein Mal, ein einziges Mal, dreht sie sich zu mir um, bevor sie sich schnell wieder abwendet.
»Ruhe! Ich bitte um Ruhe!« Die Stimme des Richters plärrt knisternd aus den Lautsprechern der JumboTrons, aber die Leute hören nicht auf zu schreien und die Soldaten müssen sie zurückdrängen. Die gesamte erste Reihe ist voller Reporter, die alle ihre Kameras und Mikrofone auf mich gerichtet haben.
Schließlich ruft einer der Soldaten einen harschen Befehl. Ich sehe zu ihm hinüber. Es ist der junge Captain, der meine Mutter erschossen hat. Seine Soldaten feuern mehrere Male in die Luft, was für Ordnung in der Menge sorgt. Der Richter wartet ein paar Sekunden, um sicherzugehen, dass die Ruhe von Dauer ist, und schiebt dann seine Brille zurecht.
»Vielen Dank für Ihre Kooperation. Ich weiß, es ist ziemlich warm heute Morgen, darum wollen wir die Urteilsverkündung nicht länger hinauszögern als nötig. Wie Sie sehen, sind unsere Soldaten anwesend, als eine Ermahnung an Sie alle, während des Prozesses Ruhe zu bewahren. Lassen Sie mich mit der offiziellen Bekanntmachung beginnen, dass am 21. Dezember um acht Uhr sechsunddreißig ozeanischer Standardzeit der fünfzehnjährige Straftäter, der unter dem Namen Day bekannt ist, verhaftet und in militärischen Gewahrsam genommen wurde.«
Die Menge bricht in Applaus aus. Damit habe ich gerechnet, darum bin ich umso überraschter, als ich noch etwas anderes höre. Buhrufe. Einige, nein, sogar eine ganze Menge Leute auf dem Platz haben ihre Fäuste nicht in die Luft gereckt. Ein paar von ihnen, die, die am lautesten protestieren, werden von Straßenpolizisten ergriffen, in Handschellen gelegt und abgeführt.
Einer der Soldaten, die mich festhalten, stößt mir sein Gewehr in den Rücken. Ich falle auf die Knie. Als mein verletztes Bein auf dem Asphalt aufschlägt, brülle ich aus vollem Hals. Der Knebel dämpft meine Stimme. Ich bin blind vor Schmerzen - mein geschwollenes Bein pocht nach dem Aufprall und ich fühle, wie frisches Blut meinen Verband durchtränkt. Beinahe wäre ich vornübergekippt, doch die Soldaten halten mich aufrecht. Als ich mein Gesicht dem Mädchen zuwende, sehe ich, wie es bei meinem Anblick zusammenzuckt und zu Boden sieht.
Der Richter ignoriert die allgemeine Unruhe. Er beginnt, meine Verbrechen aufzuzählen, und beendet seine Ansprache mit den Worten: »Unter Berücksichtigung der kriminellen Handlungen des Angeklagten und insbesondere der Verbrechen gegen unsere ehrwürdige Republik verhängt das Hohe Gericht des Staates Kalifornien folgendes Urteil: Der Angeklagte Day wird hiermit zum Tod durch Erschießen verurteilt.«
Wieder bricht in der Menge ein Tumult los. Die Soldaten drängen die Menschen zurück.
»Die Exekution erfolgt in vier Tagen, am 27. Dezember um achtzehn Uhr ozeanischer Standardzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit ...«
In vier Tagen. Wie soll ich bis dahin meine Brüder retten? Ich
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