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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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endlich persönlich kennenzulernen. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass ich dazu keine Gelegenheit mehr bekommen könnte.«
    Ich muss all meine Willenskraft aufbringen, um nichts zu erwidern. Er scheint sich unbehaglich dabei zu fühlen, mit mir im selben Raum zu sein, und seiner Miene nach zu urteilen, muss er mich aus tiefster Seele hassen.
    »Der Commander möchte, dass ich Ihnen vor Ihrem Hinrichtungstag noch ein paar Standardfragen fürs Protokoll stelle. Lassen Sie es uns doch auf einer freundschaftlichen Ebene versuchen, auch wenn wir einen etwas schwierigen Start hatten.«
    Ich kann mir ein heiseres Lachen nicht verkneifen. »Ach, wirklich? Meinen Sie?«
    Thomas antwortet nicht, aber ich sehe, wie er mühsam schluckt, um Haltung zu bewahren. Er greift in seinen Umhang und zieht eine kleine graue Fernbedienung hervor. Dann richtet er sie auf die kahle Wand des Raums, wo sogleich ein Bild erscheint. Die Projektion eines Polizeiberichts, wie es scheint, mit Fotos einer Person, die ich nicht kenne.
    »Ich werde Ihnen jetzt eine Reihe von Bildern zeigen, Mr Wing«, erklärt er. »Die Leute, die Sie darauf sehen werden, stehen alle unter Verdacht, Verbindungen zu den Patrioten zu haben.«
    Die Patrioten haben in der Vergangenheit vergeblich versucht, mich zu rekrutieren. Kryptische Nachrichten, die an die Gassenwände über meinem Schlafplatz geschmiert waren. Eine Gestalt an der Straßenecke, die mir einen Zettel zusteckte. Ein kleiner Packen Geld mit einem Angebot. Irgendwann, nachdem ich ihre Annäherungsversuche eine Weile ignoriert hatte, hörte ich nichts mehr von ihnen.
    »Ich habe nie mit den Patrioten zusammengearbeitet«, zische ich. »Wenn ich jemals einen Menschen töten sollte, dann aus persönlichen Beweggründen.«
    »Sie mögen ja behaupten, nicht mit ihnen in Verbindung zu stehen, aber vielleicht ist Ihnen ja mal der eine oder andere über den Weg gelaufen. Und vielleicht würden Sie uns freundlicherweise dabei behilflich sein, sie ausfindig zu machen.«
    »Oh, aber sicher doch. Sie haben schließlich meine Mutter erschossen. Da kann ich mir natürlich nichts Schöneres vorstellen, als Ihnen zu helfen.«
    Thomas gelingt es ein weiteres Mal, meine Bemerkung zu übergehen. Er richtet den Blick auf die Fotoprojektion an der Wand. »Kennen Sie diese Person?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nie gesehen.«
    Thomas drückt auf die Fernbedienung. Ein neues Foto erscheint. »Was ist mit dieser?«
    »Nein.«
    Nächstes Foto. »Und die?«
    »Nein.«
    Ein weiteres fremdes Gesicht erscheint an der Wand. »Haben Sie dieses Mädchen schon mal gesehen?«
    »Noch nie.«
    Mehr unbekannte Gesichter. Thomas klickt weiter, ohne die Miene zu verziehen oder meine Antworten infrage zu stellen. Was für eine hohle Marionette der Republik. Während wir weitermachen, beobachte ich ihn und wünsche mir mehr als einmal, ich wäre nicht gefesselt und könnte diesen Mann in Grund und Boden prügeln.
    Noch mehr Fotos. Noch mehr fremde Gesichter. Thomas zweifelt keine einzige meiner knappen Antworten an. Vielmehr scheint es, als könne er es kaum erwarten, endlich aus diesem Raum und von mir weg zu kommen.
    Dann erscheint ein Foto von jemandem, den ich erkenne. Das verschwommene Bild zeigt ein Mädchen mit langen Haaren - länger als der Pagenkopf, mit dem ich sie kenne. Noch kein Rankentattoo. Wie es aussieht, ist Kaede eine Patriotin.
    Ich achte sorgsam darauf, dass meine Gedanken sich nicht auf meinem Gesicht widerspiegeln. »Hören Sie. Selbst wenn ich irgendeinen von diesen Leuten kennen würde, glauben Sie ernsthaft, ich würde es Ihnen verraten?«
    Thomas kämpft sichtlich um Beherrschung. »Das wäre dann alles, Mr Wing.«
    »Ach, kommen Sie schon, das kann doch noch nicht alles sein. Ich sehe Ihnen doch an, wie gerne Sie mir eine reinhauen würden. Dann tun Sie’s doch. Na los, trauen Sie sich.«
    In seinem Blick lodert nun ein zorniges Glühen, doch er beherrscht sich noch immer. »Mein Befehl lautete, Ihnen diese Fragen zu stellen«, erwidert er gepresst. »Das war’s. Wir sind fertig.«
    »Warum? Haben Sie etwa Angst vor mir oder so? Reicht Ihr Mut nur dafür, anderer Leute Mütter zu erschießen?«
    Thomas’ Augen werden schmal, dann zuckt er mit den Schultern. »Ein Slumgesindel weniger, mit dem wir uns rumärgern müssen.«
    Ich balle die Fäuste und spucke ihm mitten ins Gesicht.
    Das scheint seine Entschlossenheit zu brechen. Seine linke Faust trifft mich hart am Kinn und mein Kopf fliegt zur Seite. Bunte

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