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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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mir schwummrig. Metias’ kaltes, lebloses Gesicht starrt zum Himmel hinauf und sein Haar ist wie ein Fächer um seinen Kopf herum auf dem Boden ausgebreitet. Sein Hemd ist blutdurchtränkt. Ich hole tief Luft, schließe die Augen und ermahne mich, diesmal aufmerksamer zu sein. Den schriftlichen Teil des Berichts habe ich mehrmals gelesen, aber ich habe mich noch nicht dazu durchringen können, mir auch die Bilder anzusehen. Jetzt habe ich keine Wahl. Ich öffne die Augen und konzentriere mich wieder auf den Körper meines Bruders. Ich wünschte, ich hätte mir die echten Wunden genauer angesehen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.
    Als Erstes vergewissere ich mich, dass das Messer auf dem Foto wirklich in seiner Brust steckt. Blutspritzer bedecken seinen Griff. Von der Klinge sehe ich nichts. Dann werfe ich einen Blick auf Metias’ Schulter.
    Natürlich ist sie von seinem Hemd verdeckt, aber ich sehe einen kreisförmigen Blutfleck auf dem Stoff. Er ist zu groß, um nur ein Spritzer von der Brustwunde zu sein - also muss sich dort eine weitere Wunde befinden. Ich vergrößere das Foto noch mehr. Nein, zu verschwommen. Selbst wenn in dem Stoff über seiner Schulter ein messerklingenbreiter Schnitt sein sollte, kann ich ihn aus diesem Winkel nicht erkennen.
    Ich schließe das Foto und klicke das nächste an.
    In diesem Moment fällt mir etwas auf. Alle Fotos sind aus demselben schrägen Winkel aufgenommen. Ich kann kaum Details an Metias’ Schulter oder auf dem Messergriff ausmachen. Ich runzele die Stirn. Was für eine schlechte Dokumentation des Tatorts. Warum gibt es keine Nahaufnahmen der Wunden selbst? Ich scrolle wieder durch den Bericht und suche nach Seiten, die ich übersehen haben könnte. Aber mehr ist da nicht. Ich gehe zurück zu den Fotos und suche nach einer Erklärung für das alles.
    Vielleicht werden die anderen Bilder unter Verschluss gehalten. Hat Commander Jameson sie möglicherweise herausgenommen, um mir den Schmerz zu ersparen? Ich schüttele den Kopf. Nein, so ein Quatsch. Dann hätte sie mir den Bericht ganz ohne Fotos geschickt. Ich starre auf den Bildschirm und wage es schließlich, eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
    Was, wenn Commander Jameson sie gelöscht hat, um etwas vor mir zu verbergen?
    Nein, nein. Ich lehne mich zurück und starre wieder auf das erste Foto. Warum sollte Commander Jameson mir Details über den Mord an meinem Bruder vorenthalten? Sie liebt ihre Soldaten. Sie war erschüttert über Metias’ Tod - sie selbst hat sogar seine Trauerfeier organisiert. Sie hat ihn damals in ihre Einheit geholt. Sie war diejenige, die ihn zum Captain ernannt hat.
    Gleichzeitig aber bezweifle ich, dass der Tatort-Fotograf so in Eile war, dass er dermaßen schlechte Bilder abgeliefert hat.
    Ich versuche, das Ganze aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, doch ich komme immer wieder zum selben Schluss: Dieser Bericht ist unvollständig. Frustriert fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. Ich verstehe das nicht.
    Dann sehe ich mir das Messer auf dem Foto genauer an. Das Bild ist unscharf und es ist beinahe unmöglich, Details zu erkennen, doch irgendetwas darauf lässt eine lang vergessene Erinnerung wach werden und mir dreht sich der Magen um. Das Blut auf dem Messergriff ist dunkel, aber es ist noch etwas anderes darauf zu sehen, etwas, das noch dunkler ist als das Blut. Zuerst halte ich es für einen Teil des schwach sichtbaren Musters auf dem Griff, aber diese dunkleren Spuren scheinen über dem Blut zu liegen. Sie wirken schwarz, dick und schmierig. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wie das Messer in jener Nacht, als es passiert ist, ausgesehen hat.
    Diese schwarzen Spuren sehen aus wie Schmierfett. Beinahe wie der Streifen auf Thomas’ Stirn, als er in jener Nacht vor meiner Tür auftauchte.

DAY
    Als June mich am nächsten Morgen besuchen kommt, wirkt selbst sie erschrocken - wenn auch nur für eine Sekunde -, als sie sieht, wie ich zusammengesackt an der Zellenwand lehne. Ich drehe den Kopf in ihre Richtung. Beim Anblick meines Gesichts zögert sie kurz, hat sich aber schnell wieder unter Kontrolle.
    »Sieht aus, als hättest du jemanden wütend gemacht«, sagt sie und schnippt dann mit den Fingern in Richtung der Soldaten. »Alle nach draußen. Ich will mich mit dem Gefangenen allein unterhalten.« Dann deutet sie mit dem Kopf zu den Überwachungskameras hinauf. »Und schalten Sie die bitte aus.«
    Der verantwortliche Soldat salutiert. »Jawohl,

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