Legende der Angst
dann mit den Leichen passiert? Haben sie sie… Was willst du mir sagen, Mary?«
Mary sah ihr fest in die Augen.
»Sie sind oder waren Monster. Was essen Monster zu Abend?«
Entsetzen malte sich auf Angelas Gesicht. »Sie haben sie doch nicht gegessen, um Gottes willen!«
»Ich glaube nicht, daß Gott auch nur das geringste mit dem zu schaffen hatte, was sie mit den vieren getan haben.«
»Mary.«
»Sieben Menschen haben das Lagerhaus betreten, Angie. Nur drei sind wieder herausgekommen.«
Diesmal war es Angela, die die Augen schloß und den Kopf schüttelte.
Sich das alles aus dem Kopf schütteln, das war es, was sie wollte. Diese schrecklichen Bilder, die Mary so mühelos wachgerufen hatte. Unglaubliche Kräfte, seltsame Essensgelüste. Und von all dem erzählte ihr ein Mädchen, das nur zwölf Stunden zuvor zwei Menschen umgebracht hatte. Sollte sie, Angela, jemandem glauben, der so etwas getan hatte? Nichts – sie durfte nichts von all dem glauben, wenn sie nicht den Verstand verlieren wollte.
Mary phantasierte. Sie konnte mit dem, was sie getan hatte, nicht fertig werden und erfand deshalb diese Dinge: Es gab keine Monster.
Angela öffnete die Augen. »Warum bist du nicht gleich zur Polizei gegangen und hast ihnen erzählt, was du gesehen hast?« fragte sie.
»Ich hätte nicht beweisen können, daß Jim, Todd und Kathy die beiden Pärchen umgebracht hatten.«
»Aber die Leute in der Bar hätten bezeugen können, daß sie zusammen weggegangen sind. Und dann waren da doch noch die Blutspuren im Lagerhaus.«
»Ich bin zur Bar zurückgefahren – aber für den Besitzer war jene Nacht nur eine weitere gewesen, in der lauter gesichtslose Gestalten in seinem Laden hockten. Er konnte sich an niemanden erinnern. Einige Tage später war ich auch noch einmal bei dem Lagerhaus. Die Blutspuren waren beseitigt worden.«
»Von wem?«
Mary zuckte mit den Schultern. »Womöglich von ihnen. Ich denke, sie hatten Verdacht geschöpft, daß ihnen jemand gefolgt ist.«
»Wie kommst du darauf?« fragte Angela.
»Es war nur so eine Ahnung. Als ich Jim das nächstemal getroffen habe, hat er mich irgendwie seltsam angesehen.«
»Welcher Name stand an dem Lagerhaus?«
»Ich weiß nicht ob überhaupt einer dranstand.«
»Kannst du mir die Adresse sagen?«
»Nein«, erwiderte Mary. »Aber ich könnte es dir zeigen.«
»Kannst du mir den Weg dorthin aufmalen?« fragte Angela.
»Ich glaube nicht.«
Angela nickte. Mary drückte sich darum, ihre Geschichte mit Beweisen zu belegen. Es war alles nur Erfindung.
»Du hättest zur Polizei gehen sollen, wenn du wirklich zu sehen geglaubt hast, was du mir erzählt hast«, sagte Angela.
Mary verlor die Beherrschung. »Und was hätte ich ihnen erzählen sollen? Daß ich ein süßes kleines Mädchen dabei beobachtet habe, wie es fünfhundert Kilo an Gewichten hoch über den Kopf gestemmt hat? Daß mein Ex-Freund ein Menschenfresser ist? Sie hätten mich schneller wieder hinauskomplimentiert, als du blinzeln kannst.«
»Mary«, entgegnete Angela geduldig. »Jetzt werden sie dich nicht hinauskomplimentieren.«
Mary schwieg für eine Weile. »Ich mußte tun, was ich getan habe. Ich mußte sie stoppen, solange es noch nicht zu spät ist.«
»Was meinst du damit?«
Mary sah Angela unwillig an. »Nichts.«
»Du hast mir schon eine ganze Menge anvertraut. Ich denke, du könntest mir jetzt auch noch den Rest erzählen.«
»Warum? Ich kann dir ansehen, was du denkst. Mary ist Amok gelaufen, und jetzt hat sie diese verrückte Geschichte zusammengesponnen, um ihr Handeln zu rechtfertigen.«
»Das ist nicht wahr«, log Angela.
»Es ist wahr. Ich habe dir ja gleich gesagt, daß du mir nicht glauben würdest. Nun? Glaubst du mir? Na also.« Mary war wütend auf sich selbst. »Ich muß verrückt gewesen sein, zu denken, daß du es tun würdest.«
»Wie kommt es, daß nie darüber berichtet wurde, daß zwei Pärchen als vermißt galten? Das wäre hier in der Gegend eine spektakuläre Nachricht gewesen.«
Mary runzelte wieder die Stirn. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich könnte mir nur denken, daß Jim und Todd und Kathy immer nur Leute angesprochen haben, die auf der Durchreise waren.«
»Meinst du, sie hätten jede Nacht irgendwen umgebracht?«
»Ich weiß, daß sie ziemlich großen Hunger hatten.«
»Sieh mal, was genau erwartest du von mir, Mary? Okay, ich glaube dir deine Geschichte nicht. Sie ist zu unwahrscheinlich. Wenn ich an deiner Stelle wäre und ich dir genau
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