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Legende der Angst

Legende der Angst

Titel: Legende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Anzeichen der Veränderung wahrnehmen. Seine rechte Hand lag auf dem Küchentisch. Seine Fingernägel waren schwarz – als hätte er sie irgendwo eingeklemmt. Er trommelte damit gedankenverloren auf der Tischplatte, ein rhythmisches Klappern, das durch das stille Haus tönte.
    »Ist das Steak nicht fertig?« fragte er.
    »Ich habe es doch eben erst in die Pfanne geworfen.«
    »Ich denke, es ist gut.«
    »Das glaube ich nicht.« Sie stellte die Gasflamme ab. »Laß uns gehen. Ich werde das Essen einpacken.«
    Alles, was sie über Jim und ihre Reaktion auf ihn dachte, war absolut widersprüchlich. Sie hatte noch nicht vergessen, daß sie ein menschliches Wesen war. Ganz sicher war sie noch nicht soweit, jemanden töten zu können. Sie würde lieber sterben, als das zu tun. Bevor sie das Haus verließ, ging sie ins Bad, legte das Amulett an, das Glänzende Feder ihr gegeben hatte, und versteckte es unter ihrer Bluse. Sie hatte keine Ahnung, welchen Schutz es ihr bieten konnte. Vielleicht gar keinen. Aber trotzdem trug sie es direkt auf ihrer Haut. Es erinnerte sie an die Worte des alten Mannes:
    »Töte sie – die Hungrigen.«
     
     
    Jim sagte kein einziges Wort, als sie zu den Ölförderpumpen hinaufwanderten, und das war Angela nur recht. Sie hatte genug damit zu tun, ihm auf den Fersen zu bleiben und dabei nicht ganz außer Atem zu geraten. Glücklicherweise trug er die Tasche mit dem Essen, der Duft, den die Steaks verströmten, ließ sie Jim folgen, als wäre sie ein Hund, den er an der Leine führte. Sie hatte außer den Steaks noch Brot und eine Flasche Wein eingepackt.
    Die Ölförderpumpen waren hochaufgeschossene Gebilde, die irgendwie an Insekten erinnerten. Angela konnte nur sechs ausmachen und nicht zwölf, die es laut Jim geben sollte. Sie stachen mit unermüdlicher Gleichförmigkeit auf die Erde ein, saugten ihr die Bodenschätze aus. Im Licht des Mondes jedoch muteten sie sinnlich an. Das ölbeschmierte Metall glänzte silbrig. Auf und nieder, hinein und hinaus – unablässig pumpend. Aber Angela dachte an etwas ganz anderes. Wenn Jim in diesem Augenblick versuchen würde, ihr die Kleider vom Leib zu reißen, würde sie sich eine Schere herbeiwünschen, um ihn bei seinen Bemühungen zu unterstützen.
    Sie saßen auf dem Betonfundament einer der Pumpen, das Tal und der See lagen malerisch vor ihnen ausgebreitet. Sie widmeten sich dem Essen. Jim nahm sich etwas von allem, Angela jedoch wollte nur ihr Steak – extra englisch, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Sie aß es mit den Fingern, dadurch schmeckte es ihr noch mal so gut.
    »Der See ist rund«, sagte Jim, als sie mit Essen fertig waren. Er hatte natürlich recht – von oben betrachtet, schien die Wasseroberfläche einen perfekten Kreis zu bilden. Doch wie sah sie wohl von weiter oben betrachtet aus? Wie würde ein Besucher aus dem All sie sehen? Angela überlegte kurz, ob sie Jim von ihrem Alptraum erzählen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er schien noch nichts von ihren düsteren Ahnungen zu wissen. Und dabei sollte es vorläufig besser bleiben. Für den Fall, daß sie ihn würde töten müssen, nachdem sie miteinander geschlafen hatten.
    Aber sie war nicht Mary. Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, jemanden umzubringen.
    »Ich habe gehört, er sei von einem Meteor geformt worden«, sagte sie.
    »Das stimmt auch, und zwar vor hunderttausend Jahren.«
    Sie wandte sich ihm zu. »Woher weißt du das?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Das ist kein Geheimnis. Aber kannst du dir das vorstellen? Ein riesiger Steinbrocken stürzt vom Himmel herab und schlägt hier ein. Im Bruchteil einer Sekunde setzt der Einschlag mehr Energie frei, als tausend nukleare Sprengköpfe zusammen es vermögen. Dieses Tal ist entstanden, und für eine ganze Zeit ist es das Tal des Feuers. Geschmolzenes eisenhaltiges Gestein brennt sich immer tiefer in die Erde, wird ein Teil von ihr. Schließlich kühlt es ab, und zurück bleibt ein Krater, in dem sich Wasser sammeln kann.«
    »Sethia«, murmelte sie. Seine Beschreibung hatte kraftvolle Bilder wachwerden lassen. Es hatte sich fast so angehört, als wäre er dabeigewesen, als der Meteor vom Himmel gekommen war.
    Er runzelte die Stirn. »Sethia? Diesen Namen kenne ich nicht.«
    »So nennen die Manton den Point Lake.«
    »Und was bedeutet der Name?«
    »Das weiß ich nicht«, log sie. »Was macht dein Arm?« Er trug ein Hemd mit langen Ärmeln, und Angela konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er

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