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Legende der Angst

Legende der Angst

Titel: Legende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Weg, um zu entscheiden, was zu tun war.
    Angela griff nicht nach ihrem Badeanzug, als sie zurück auf den Balkon ging. Jedes Mittel war recht, um zum Ziel zu gelangen. Schließlich handelte es sich um ein wissenschaftliches Projekt größter Wichtigkeit.
    Jim war gute dreißig Meter weit hinausgeschwommen. Er winkte ihr zu, als sie in den Schein des Mondlichts trat. »Komm, spring ins Wasser«, rief er.
    Sethia. See des Blutes. KAtuu. Kalt wie der See.
    »Ich komme«, flüsterte Angela. Sie streifte ihre Kleider ab und ließ sie auf die Holzdielen fallen. Langsam ging sie ein paar Schritte vor und starrte nach unten. Das Wasser glitzerte wie ein millionenfach geschliffener Diamant. Angela wußte nicht, wie tief der See hier am Ufer war. Sie wollte sich nicht den Hals brechen und dann den Rest ihres Lebens querschnittsgelähmt sein wie der bedauernswerte Fred Keith.
    »Beeil dich, mach schon«, rief Jim.
    »Okay«, antwortete sie mehr zu sich selbst. Es würde schon gutgehen.
    Sie sprang ins Wasser.
    Der Schock war gewaltig. Ihre Füße sanken tiefer und tiefer, ohne den Boden zu berühren. Sie strampelte und schlug wild um sich und gelangte wieder an die Oberfläche. Dann traf sie die Kälte wie ein Schlag; sie hätte genausogut plötzlich auf einem Eisberg gelandet sein können.
    »Ah!« rief sie.
    Weit draußen in dem eisigen Wasser winkte Jim ihr zu. »Schwimm«, rief er, »dann wird dir bald wärmer.«
    Aber er lag falsch mit dem, was er sagte. Je weiter sie vom Ufer fortschwamm, desto mehr fror sie. Sie vermochte sich keine Art von sportlicher Betätigung vorzustellen, die den schnellen Verlust von Körperwärme hätte ausgleichen können, dem sie ausgesetzt war. Unter keinen Umständen würde sie es länger als eine Minute im Wasser aushalten.
    Aber dann war Jim plötzlich bei ihr, zog sie an sich und küßte sie wieder. Sie konnte seinen Körper an ihrem spüren und stellte fest, daß Häuptling Glänzende Feder sich geirrt hatte, was die Sache mit der Körpertemperatur anging. Dieser Bursche hier ist viel zu heiß, um Blut so kalt wie das Wasser des Sees zu haben, dachte sie nur, als er seinen Mund auf ihren preßte. Ein kraftvoller Strom der Wärme durchfloß sie, obwohl sie vor Kälte zitterte, und Blut schoß bis zu Nervenenden vor, von denen sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gewußt hatte, daß sie überhaupt existierten. Sie legte den Kopf zurück, genoß es, von Jim in den Armen gehalten zu werden, erschauerte, als er mit der Zunge über ihren Hals strich. Genau über sich am Himmel sah sie den Mond. Ein Schatten teilte ihn in zwei Hälften, und sie selbst fühlte sich ebenso in zwei Teile zerrissen. Denn so eng sie Jim auch an sich zog, so war es ihr doch nicht möglich, ihm so nah zu sein, wie sie es sich wünschte. Er war ein riesiges Steak, ein Berg rohes Fleisch, wie Gott es erschaffen hatte, und sie war das glücklichste Mädchen der ganzen Welt, seit sie Jim gefunden hatte.
    »So süß«, flüsterte sie.
    Jim brachte ihre Lippen wieder an seine, und ihre Leidenschaft drohte sie den Verstand verlieren zu lassen, auch noch, als ein scharfer Schmerz ihren Mund durchzuckte. Sie hatte sich auf die Zunge gebissen, oder vielleicht hatte Jim das auch getan. Das Blut zu schmecken war reine Lust. Das heftige Pochen ihres Herzens, das ihr schon den ganzen Tag zu schaffen gemacht hatte, nahm noch um ein Tausendfaches zu, diesmal jedoch nährte sie es mit einem Saft, den sie sich vorher nie zu kosten erträumt hatte. Er schien aus Jims Mund in ihren zu fließen, wo Blut ihre Zungen umspülte wie ein verbotenes Elixier aus einem geweihten Kelch. Allerdings war da so viel Blut, daß sie sich nicht vorstellen konnte, daß das alles von ihr sein sollte. Aber das war es, was diese Verführung ausmachte. Niemand hatte mehr Besitzrechte an irgend etwas. Man überließ Körper und Seele ganz der Versuchung, und als Gegenleistung dafür erfuhr man höchste Befriedigung. Jim zu küssen war so wunderbar, daß das Pochen in ihren Schläfen von ihrem Glücksgefühl hinweggespült wurde, fortgetragen von einem Wind, der den letzten Rest ihrer Unschuld mit sich nahm und sie nackt, wie sie war, mitten im See zurückließ.
    Sie hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange Jim sie gehalten hatte. Es schien ihr Äonen später zu sein, als er sie schließlich bei der Hand nahm und aus dem Wasser zurück auf den Balkon führte. Ihre Haut war weiß wie Marmor; die Wassertropfen darauf sahen aus wie Eissplitter. Trotzdem

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